Weltenende (German Edition)
sie hätte nehmen können. „Was haben sie vor?“
„ Blut“, entgegnete sie nur. Jonas zog die Hand zurück. „Mach kein Geschiss, Junge! Deine Zeit drängt.“ Die Frau zog ein Messer und hielt auffordernd ihre eigene Hand hin.
Jonas zögerte und legte dann doch seine Hand in die ihre. Die Frau griff hart zu, schnitt in einer blitzschnellen Bewegung einen langen und tiefen Schnitt in seine Handfläche. Sie dehnte seine Finger nach hinten, so dass noch mehr Blut aus der Wunde quoll, dann drehte sie die Hand über die Schale. Ein dickes Rinnsal tropfte herab, dann ließ sie ihn wieder los. Sie brachte das Blut zur Küchentür, stellte die Schale in den angrenzenden Raum, ohne selbst hineinzugehen.
„ Sie sind bald hier; ich muss mich beeilen“, sagte Jonas. Er hatte die Faust geballt, damit sich die Wunde schloss.
S ie trat zurück zu ihrem Platz hinter dem Tresen und stellte Jonas einen Becher hin, den sie aus einem Krug mit einer dunklen Flüssigkeit füllte. „Wenn es nicht funktioniert, hilft es auch keinem. - Trink!“ Sie schob den Krug in seine Richtung.
Jonas nippte daran. Das dunkle Starkbier hatte einen herben und zugleich süßlichen Geschmack wie Malzbier, aber er mochte es nicht, etwas Fauliges war darin. „Wie wird das Wachs hergestellt?“, fragte er.
„Bienen stellen es her, was hattest du gedacht?“ Sie lachte über sich selbst.
Jonas setzte zu einer Erwiderung an, aber er ahnte, dass er auch darauf keine vernünftige Antwort bekommen würde.
D er Kampflärm drang jetzt bis in den Schankraum. Sie trank und ein Rinnsal lief neben dem Becher über das Kinn, tropfte auf die Schürze und sie wischte die Reste mit dem Ärmel fort.
Jonas wartete und es verstrich so viel Zeit, dass er keine Ahnung mehr hatte, wie lange er schon hier war. Diese Watte, die ihn umgab, nahm ihm jedes Zeitgefühl. Er schaute auf seine Armbanduhr. Es war weit nach Mitternacht, aber wann er hier angekommen war, wusste er nicht.
„Manchmal bl eibt nur das Trinken!“, sagte sie.
„ Kümmert sich überhaupt jemand um das, was ich brauche?“, wollte Jonas wissen, denn er war nicht davon überzeugt, dass es so war.
„Es ist fertig, wenn es fertig ist“, fauchte sie schroff.
Jonas drehte sich weg von ihr, schaute durch den Schankraum. An den Wänden hingen ausgestopfte Tierköpfe, Rehe, Luchse, Dutzende Geweihe, aber auch zwei kleine Pelztiere, ähnlich Waschbären, und lange Fische in Drohhaltung mit aufgestellten Kiemen. Doch nur eines von all diesen Dingen fiel ihm besonders ins Auge: ein gerades Horn von ungefähr einem halben Meter Länge. „Was ist das?“, fragte er.
„Nach was s ieht es denn aus?“
Jonas ging hinüber. Das Horn war glatt und schimmerte wie Perlmutt. Das Licht des Kamins und der Lampen spiegelte sich in einem Muster aus Ringen. Er wollte es anfassen, aber die Frau hielt ihn davon ab: „Es bringt Unglück, es zu berühren, Junge!“, rief sie und Jonas zog die Hand zurück.
„ Ist es wirklich von einem Einhorn?“
Sie nickte.
Der Kampflärm schwoll an, laut genug, als wäre er direkt vor der Tür. „Ich muss los!“, raunte Jonas tonlos. Sein Herz hämmerte zum Zerspringen.
Die ses Mal öffnete die Frau die Küchentür und schrie laut: „Elmet, sie stehen vor der Tür!“
Die Antwort verstand Jonas nicht, aber sie schloss die Tür wieder und trat zurück auf ihren verdammten Platz hinter dem Tresen. „Trink, Jonas Markwarth, es könnte dein letztes Mal sein!“
Auch wenn es Jonas immer noch nicht schmeckte, trank er davon, damit der Alkohol ihn wärmte. Er lief zum Kamin und stellte sich mit dem Rücken vor das Feuer.
Lennart kam zur Tür herein. „Jonas, sie sind gleich hier!“
„ Sie sagt, es sei noch nicht fertig“, entgegnete Jonas.
„ Grundgütiger, Melly, sag deinem Mann, er muss sich beeilen. Es pressiert gewaltig, in seinem und in unserem Interesse“, rief Lennart.
„ Es ist fertig, wenn es fertig ist, und du hast hier drin nichts zu suchen.“ Doch die Frau war nervös. Jonas sah es in ihren Augen. Lennart und sie gingen an die Kneipentür und Jonas folgte den beiden. Draußen glühte der Himmel in gespenstischem Rot, erhellt von unzähligen Feuern des Schlachtfelds. Der Lärm war ohrenbetäubend, auch wenn die Kämpfenden noch hinter der Hügelkuppe verborgen waren.
„Werdet ihr hier bleiben?“, fragte Lennart und musste fast schreien, damit Melly ihn hörte.
„ Elmet wird sich ihnen anschließen und ich werde in die Gänge zu den Frauen
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