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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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Jonas Äste und Zweige ins Gesicht, manche so fest, dass sie ihn drohten vom Pferd zu holen. Er steckte den Dolch in die Hosentasche, damit er die Hände frei bekam und berührte dabei das Wachs darin. Einer Eingebung folgend zog er es heraus und es leuchtete hell wie eine Lampe. Er war so erschrocken, dass er es beinahe fallen ließ. Lennart fuhr herum. „Was machst du? Steck es ...“ Er zögerte und überlegte es sich anders. „Reite voraus, aber halte dich bereit, es abzudecken, wenn ich es sage.“
    Jonas ritt an Lennart vorbei. „Warum leuchtet es?“
    „Wenn jemand wie du es berührt, beginnt es zu leuchten. So ist es eben.“
    „Im Wirtshaus hat es nicht geleuchtet.“
    „Es dauert seine Zeit.“
    Mit dem Licht kamen sie schneller voran und sie erreichten nach immer unwegsamer werdenden Bachläufen, sumpfigen Lichtungen und Hügeln wieder eine Straße. Lennart stieg vom Pferd, kniete sich und legte erst die Hand auf die Steine, dann sein Ohr, als könne er damit wie bei einer Eisenbahnschiene hören, ob sich jemand nähert.
    „Ein Stück bleiben wir auf der Straße“, meinte er leise.
    „Das ist nicht dieselbe Straße, auf der wir vorhin waren, oder?“, fragte Jonas.
    „Nein, wir sind nördlicher, aber sie treffen dort vorne aufeinander.“
    Lennart schwang sich auf den Rücken des Pferdes und hier, wo das Dach des Waldes dünner war, reichte das Mondlicht wieder aus. Die hellen Pflastersteine reflektierten fast so viel Licht wie die gelegentlichen Schneereste zwischen den Bäumen, die hier wieder zahlreicher wurden. Jonas hielt das Wachs in der geballten Faust und verdeckte es beinahe gänzlich.
    „ Was passiert, wenn du das Wachs anfasst?“, fragte Jonas.
    „ Wie ich schon sagte, es leuchtet, wenn es jemand von deiner Art berührt. Bei mir passiert gar nichts.“
    Jonas wickelte das Wachs in die Strickweste und das Leuchten wurde schwächer.
    „Sollten wir nicht schneller reiten?“
    „Vor allem sollten wir jeden unnötigen Lärm vermeiden.“
    Lennart lenkte sein Pferd auf den schmalen Streifen zwischen Sträuchern, Bäumen und den Pflastersteinen, wo die Pferdehufe auf dem sandigen Grund weit weniger Lärm verursachten. Dort blieben sie, soweit es möglich war.
    Wie lange sie geritten waren, als vor ihnen eine Kreuzung mit einer gewaltigen Blutbuche auftauchte, konnte Jonas nur ahnen. Ihm fehlte wie schon auf dem Hinweg zum Grauen Jäger jedes Zeitgefühl. Die meisten Blätter hatte die Buche bereits verloren. Sie häuften sich kniehoch auf der Straße, verrieten wie wenig dieser Weg wohl genutzt wurde.
    Schon bei seinem ersten Besuch in der Anderswelt war Jonas die Vorliebe zu meist stattlichen Eichen, Pappeln oder Trauerweiden in der Mitte von Kreuzungen aufgefallen. Laut Ludwig glaubte man, dass über Wege Energien flossen, gleichfalls der Waren und Menschen, die sie bereisten, und Kreuzungen, wenn ohne Baum, diese Energieflüsse stören konnten.
    Sie bogen ab, ritten nun in östlicher Richtung, doch Lennart raunte leise: „Ich habe kein gutes Gefühl, was die Straße angeht.“
    „Müssen wir zurück zu den Ställen und dem Steg oder liegt noch irgendwo ein Boot?“
    „Nur weiter im Süden, aber das dauert zu lange. Wir haben einen beträchtlichen Umweg gemacht und es wird bald hell werden. Wir müssen die Insel noch im Schutz der Dunkelheit erreichen oder wir müssen die Nacht abwarten.“
    Jonas spürte Lennarts Nervosität und, Grundgütiger, er wollte alles nur nicht noch länger in dieser Welt verbringen, womöglich noch im Wald bei dieser Kälte. Auch wenn er sich nicht beschwerte, er fror erbärmlich. „Wir könnten uns zur Küste durchschlagen“, meinte Jonas entschlossen. „Vielleicht entdecken wir noch ein geeignetes Boot.“
    Lennart zögerte. „Es gibt ein Forsthaus, nur ein Stück weiter geht ein Pfad ab.“
    Sie machten wieder schneller und ließen die Pferde in einen leichten Trab fallen. Jonas versuchte eine Richtung zu erspüren, die ihm weniger gefährlich erschien, nur für den Fall, dass sie rasch verschwinden mussten, doch noch immer steckte er in dem wattegleichen Nebel, der seine Sinne betäubte.
    „Da ist der Weg“, flüsterte Lennart leise und zeigte nach links.
    Jonas wagte ein Stück mehr vom Wachs zu öffnen und das diffuse Licht erhellte ein paar Meter des kaum sichtbaren Trampelpfads. „Und der bringt uns bis zur Küste?“, fragte er.
    „ Er geht zum Forsthaus und dann werden wir sehen. Ich habe ihn nur einmal benutzt und das ist lange

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