Weltenende (German Edition)
gehen.“
„Ihr könntet nach Süden , das wäre sicherer.“
„ Nirgends ist es sicher, Lennart.“ Jonas schaute sie an und sie tat ihm Leid. Sie lächelte nur. Sie ahnte, wie das alles enden würde. „Die sind hinter euch her und sie werden wissen, wohin ihr wollt. Sie wissen alles diesmal. Sie müssen Quellen haben, auf seiner Seite.“ Sie nickte in Jonas Richtung.
Lennart dachte wohl darüber nach, jedenfalls antwortete er nicht gleich. „Die Insel kann Jonas beschützen. Sie ist in gewisser Weise neutral“, sagte er schließlich. Ob er die Insel in der Anderswelt oder Rabensruh meinte, wusste Jonas nicht.
„Du solltest auch neutral sein, aber es hat dich nie davon abgehalten dich auf eine Seite schlagen. Und du weißt ganz genau, dass es keinen Ort hier oder drüben gibt, der wirklich sicher wäre.“
So wie es sich anhörte, würden die Kämpfer – und es mussten wahrlich viele sein – jeden Augenblick über die Hügelkuppe kommen, keine zweihundert Meter vor der Tür des Grauen Jägers.
„Wer wird gewinnen?“, fragte Jonas.
„Das hängt von dir ab, Junge. Wenn wir das vorher wüssten, bräuchten wir gar nicht erst zu kämpfen.“ Melly verschränkte die Arme und ging wieder nach drinnen. Jonas zitterte. Die Kälte hatte ihn wieder in ihren eisigen Griff geschlossen.
„ Jonas, wir werden reiten müssen, wie der Teufel, sonst ist alles verloren.“ Lennart ging nicht wieder hinein, sondern schwang sich auf das Pferd und nahm Jonas Stute dicht bei den Zügeln.
Jonas erwiderte nichts, sondern folgte Melly zurück in den Schankraum, wo sie sich wieder auf ihrem Platz hinter dem Tresen stellte. Jonas wärmte sich am Kamin, allerdings auch, um der Tür näher zu sein. Was konnten sie tun, wenn die Schlacht sie erreichte? Melly hatte von Gängen gesprochen. Vielleicht war es möglich durch diese zu verschwinden.
„Haben Sie das Einhorn gesehen , als es noch lebte?“
„ Dieses dort ist schon lange tot. Aber ich habe Einhörner gesehen. Sie sind selten und sie werden gejagt, ihres Blutes wegen. Der Legende nach mache es unsterblich.“
„Unsterblich?“
„Und unglücklich. Wir machen so viel falsch, vielleicht verdienen wir das Ende.“
„Wenn ER es so will, werden wir das Ende auch nicht aufhalten können. ER macht die Regeln“, entgegnete Jonas und die Worte erschreckten ihn selbst.
„Regeln“, erwiderte Melly abfällig, „was auch immer der alte Mann ausheckt, es ist nichts als Willkür.“
Jonas hielt ihren Gram für falsch, er wollte ihn ihr nehmen, aber was sollte er sagen? Womöglich hatte sie sogar Recht, denn Lennart schien eine ganz ähnliche Meinung zu haben. Jonas war noch jung und wenn man jung war, neigte man dazu das Gute in der Welt zu sehen und optimistisch und lebensfroh in die Zukunft zu blicken, auch wenn letztendlich das Gute niemals eintreten würde. Das wusste er.
KAPITEL X
Die Küchentür flog auf. Elmet trat in den Schankraum. Mellys Mann trug eine dicke Lederrüstung mit Breitschwert und einem verbeulten Schild. Er war ein alter Mann, viel älter als Melly, sein Bart längst ergraut, wie auch das Haar, das unbändig unter der Lederkappe hervorquoll.
„Du bist es also.“ Elmet zögerte.
„Es ist noch jung, vielleicht der jüngste, den sie je hatten“, sagte Melly leise.
„ Wenn ich nicht bald verschwinde, wird mein Alter keine Rolle mehr spielen“, zischte Jonas barsch und versuchte dabei so erwachsen wie nur möglich zu klingen.
„Du hast Recht, Junge!“ Elmet trat vor. Aus der Tasche zog er einen breiten Ring, den er vor Jonas in die Luft hielt. „Das ist das Siegel“, sagte er bedächtig. Jonas griff danach und augenblicklich durchfuhr ihn ein stechender Schmerz, so dass er zurückzuckte, ausgehend von seinem Handgelenk, in dem das Zeichen pulsierte und aufleuchtete, so hell, dass man es sogar durch die Strickweste sehen konnte. „Zieh ihn an!“, befahl Elmet.
Jonas schob ihn über seinen Mittelfinger und so plötzlich, wie der Schmerz gekommen war, so verging er auch wieder. Das Leuchten des Zeichens verblasste und der gewaltige Ring saß wie angepasst auf seinem Finger, als hätte er sich verjüngt, just in dem Moment, in dem er ihn übergestreift hatte. Jonas bezweifelte, dass er so einfach wieder abgehen würde. Aber das musste er wohl, denn mit dem klobigen Ring an der Hand konnte er sich auf Rabensruh gleich ein Schild um den Hals hängen, auf dem stand: Liebe Ombrage, ich bin es, den ihr sucht!
„Und das Wachs?“
Elmet
Weitere Kostenlose Bücher