Weltenende (German Edition)
geworden. Der Wetterdienst meldete keinen Regen, aber den ganzen Tag zogen am Horizont dicke Wolken vorüber. Georg tauchte auf und sein Vater schickte ihn, beim Abladen des Holzes zu helfen, was er schon wegen Jonas und Carl nur widerwillig tat.
„Du hast noch was gut, K leiner!“, fauchte er schroff, stand dicht hinter Jonas und verpasste ihm eine Kopfnuss. Jonas fuhr herum, tat aber sonst nichts weiter und Georg zischte: „Pass auf deine Eier auf!“ Er baute sich vor Jonas auf, doch da er nicht mehr größer war, war es weniger beeindruckend, als Georg es gerne gehabt hätte.
„Lass mich in Ruhe“, zischte Jonas wenig schlagfertig und schob sich an ihm vorbei. Carl kam gerade wieder zum Wagen und Georg ließ es auf sich beruhen, zumindest fürs erste.
Ab dann achtete Jonas darauf ihm nicht alleine zu begegnen, was auch nicht weiter schwierig war, denn am Strand herrschte rege Betriebsamkeit.
Später rangierte Carl den geliehenen Kühlanhänger vom Kaufmann neben die Tische für Salate. Die Feuer waren aufgebaut und ragten wie Holzskulpturen in den Abendhimmel. Bauer Marot mähte den Fußweg zur Straße und allmählich hingen überall die kleinen Lampions, die später, wenn es nicht zu windig werden würde und alle Kerzen brannten, eine surreale Atmosphäre schaffen würden. Diese Lampions gehörten zu Jonas Sommer. Manchmal sehnte er sich nach ihnen in kalten Dezembernächten, wenn er im Bett lag. Obwohl es mitten im Sommer war, hatten sie etwas Weihnachtliches an sich. Jonas suchte Ludwig und Mathilda, konnte die beiden aber nirgends entdecken, was ihn aber nicht weiter beunruhigte. Irgendwo waren sie sicher. Beunruhigender war, dass Georg ihm scheinbar folgte, und vermeintlich auf Krawall gebürstet, nur darauf wartete, ihn alleine abzupassen. Von der Ombrage war nichts zu sehen oder auch nur zu spüren und so ungeschickt wie Georg versuchte ihn zu erwischen, steckte auch kein größerer Plan dahinter, sondern nur seine privaten Rachegelüste, weswegen auch immer sie ausgerechnet heute durchbrachen.
Als sich die Sonne zum Horizont neigte, kamen die Inselbewohner, die nicht beim Aufbau geholfen hatten, brachten Schüsseln und Töpfe mit Pasteten, Salaten und Broten. Auf den beiden Grills brieten Würstchen und gewaltige Stücke Spießbraten. Die Luft duftete nach Kräutern und garendem Fleisch. Jonas ließ sich eine Bratwurst geben und stellte sich etwas abseits zu Carl und ein paar anderen. Auch Georg und Igby waren in der Nähe. Sie rauchten und leerten eine Flasche Bier nach der anderen.
Robert brachte die Benzinkanister. Nach dem Feuerfiasko im Regensommer 2005, wo es Stunden gedauert hatte, bis die Feuer gebrannt hatten, verwendeten sie immer Benzin, obwohl es anfangs übel stank. Er verteilte es auf dem Holz und kurz darauf flackerten die ersten Flammen, fraßen sich nur in Sekunden durch die Haufen und binnen Minuten standen die ganzen Stapel lichterloh in Flammen. Obwohl Jonas mehr als zwanzig Meter entfernt war, spürte er die Wärme auf der Haut.
Marot und Fahrnhemm, beide in barocken Originalkleidern des siebzehnten Jahrhunderts mit Halskrausen, Samtbarettes und voller Rüschen kamen von Ost beziehungsweise West den Strand herauf. Die Zuschauer teilten sich willkürlich in zwei Lager, riefen laut Harnepiep oder Elster und versuchten sich gegenseitig zu übertönen.
Da kein Adjutant überliefert war, stellten sich die beiden zwischen den Feuern Rücken an Rücken auf und liefen dann jeweils zwanzig Schritt, drehten sich um und feuerten. Hastig luden sie die betagten Vorderlader nach, feuerten noch einmal und noch einmal und noch einmal – die Menge an Schüssen wurde jedes Jahr variiert, so dass ein wenig Spannung aufkam. Nach dem vierten Schuss rief jemand laut: „Jetzt sterbt schon endlich! Wir wollen feiern!“ Worauf ein allgemeines Gelächter einsetzte.. Beim sechsten Schuss strauchelten beide, als wären sie getroffen, aber erst beim achten stöhnte Marot, taumelte und rührte sich auch noch einmal auf dem Boden, ehe er endgültig mit einem letzten Röcheln Ruhe gab. Fahrnhemm hingegen war einfach unter dem Gelächter der Anwesenden wie ein nasser Sack umgefallen.
Auf Tragen brachte man Fahrnhemm und Marot zu den Pavillons, damit sie sich wieder umzogen.
Drei Stunden später tippte Jochen Schuster, der Bürgermeister, Jonas auf die Schulter. „Hey, komm mit!“ Jonas ahnte, was ihm blühte, und Carl warf ihm ein breites Grinsen zu.
„Muss das sein?“ , fragte Jonas.
„Komm
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