Weltenende (German Edition)
schon, das ist eine Ehre“, sagte Jochen Schuster und schob ihn so unauffällig wie möglich in Richtung Kaufmannsladen. „Deine Frau wartet schon“, lachte er verschmitzt.
„Wer ist es denn?“
„Es wird dir gefallen.“
„Melanie?“
Jochen Schuster nickte. „Sie ist schon ganz aufgeregt.“
Jonas schluckte. Jetzt war er auch aufgeregt.
Sie gingen über die Terrasse ins Haus. Im Wohnzimmer war Melanies Mutter und bürstete an einem beigefarbenen Kleid herum und schimpfte laut: „Du hättest mir das Kleid ruhig früher bringen können. Alle paar Jahre sollte es auch gewaschen werden. Es steht vor Dreck.“
„ Das sind Originalkleider; die macht man nicht in die Maschine. Die feinen Herrschaften haben auch nur gebürstet ... oder vielmehr bürsten lassen. Wo sind die Sachen für den Bräutigam?“
„In der Küche.“ Jochen Schuster zeigte auf die Tür.
Jonas fand die altmodische schwarze Stoffhose auf dem Tisch, ein ähnlicher Kragen, wie Harnepiep und Elster getragen hatten, und ein Hemd von schier riesigen Ausmaßen.
Jochen machte keine Anstalten ihn allein zu lassen und Jonas zog sich in seiner Anwesenheit um.
„Die Hose ist zu eng“, meinte Jonas und mühte sich mit dem Knopf.
„ Du bist zu groß, aber das macht das Hemd wieder wett. Es ist jedes Jahr dasselbe damit. Außer Georg hat das in den letzten 25 Jahren noch niemandem gepasst.“
„Wie ist Georg in diese Hose gekommen?“
„Ja, das war schwierig.“
Jochen half ihm, knöpfte die Ärmel zu und zog das Hemd auf Jonas Rücken straff zusammen. Mit Sicherheitsnadeln fixierte er es und anschließend schlüpfte Jonas in eine schwarze Samtjacke. Sie ähnelte einem Jackett war aber mit mehreren Reihen Knöpfen und von einem untypisch langen Schnitt. „Das steht dir“, sagte Jochen.
Er rief Ulli, die die Halskrause anlegen sollte. Jonas musste den Kopf ganz nach vorne legen und es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sie den Verschluss zugebracht hatte. „Eigentlich gehört noch eine Perücke zum Kostüm, aber wir finden es lustiger wenn die Zuschauer dich erkennen“, flötete sie belustigt.
Jonas durfte sich setzen un d bekam etwas Kühles zu trinken. Auch Melanie war fertig mit Einkleiden und sie eckte mit dem ausladenden Reifrock überall an die Schränke. Aber nichtsdestotrotz sah sie unglaublich aus. Ihre Locken waren bis auf ein paar einzelne zurückgebunden. Sie war dezent geschminkt und Rüschen und Spitze besetztes Kleid standen ihr nur zu gut. Es machte aus ihr eine richtige Dame. Sie lachte und Jonas stand unwillkürlich auf, um ihr die Aufwartung zu machen.
„Willst du dich setzen?“, stammelte er verlegen.
„Nein, ich glaube mit dem Kleid kann man sich nicht setzen. Die müssen früher immer gestanden haben.“
„Willst du was trinken?“
„Ja, das wäre gut.“
„Wasser? Cola?“ Jonas ging an den Kühlschrank.
„Wasser.“
Er holte eine der kleinen Wasserflaschen heraus und gab sie Melanie. In den Kostümen war es warm.
Jonas schaute auf die Uhr. Es war noch eine halbe Stunde bis Mitternacht. Jochen und Ulli kamen noch einma l herein, drückten Melanie einen Strauß frischer Blumen in die Hand.
„Ihr kennt den Ablauf, oder?“
„Ja“, antworteten Jonas und Melanie wie aus einem Mund. So schwer war es ja nicht, auch wenn Jonas mehr als nur nervös wurde, wenn er daran dachte, was gleich passieren sollte.
Ulli stellte ein Funkgerät auf den Tisch. „Wenn das Ding piept lauft ihr beide über den gemähten Weg auf den Strand bis zu Ludwig in der Mitte zwischen den Feuern. Nicht zu schnell, okay?“
„Schon klar “, antwortete Jonas.
„Und ihr geht nicht raus. Keiner soll euch vorher sehen , habt ihr verstanden?“
Sie nickte n und Ulli und Jochen verschwanden kichernd zur Tür hinaus. Jonas wettete darauf, dass es schon alle wussten, wer die beiden übernahm. Carl hatte mit Sicherheit nicht den Mund gehalten.
„Eigentlich sollte ich dich vor der Hochzeit gar nicht sehen. Das bringt Unglück“, meinte Melanie.
„ Wir dürften auch nicht zusammen rausgehen, aber da unsere Väter tot sind …“, entgegnete Jonas.
„Ich bin ganz aufgeregt“, erwiderte sie und Jonas bekam noch weichere Knie, als er ohnehin schon hatte. Sie war älter als er und sah aus wie eine richtige Frau, was sicher nicht nur an den Kleidern lag, und sie war sicherlich weit geübter im Küssen als er. Sie würde sicher merken, wie schlecht er war.
„ Wer war letztes Jahr der Bräutigam?“, fragte sie.
„Tobias
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