Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
dunklen Gefangenen unterschätzt. Denn wenn mein Kind eines kennt, dann ist es die große Schwäche der menschlichen Seele.
Die Stimme schien verächtlich zu schnaufen.
Die Konstante des menschlichen Bestrebens, immer den reinen, primitiven Selbsterhalt als oberstes Ziel zu wählen. Das eigene, kleine Ich an oberste Stelle zu setzen und sei es, vor das Leben von Millionen oder gar Milliarden. Und jedes Mittel erscheint euch dabei recht zu sein!
Das Firmament verdunkelte sich erneut und Tyark spürte, wie sein Herz klamm wurde. Die Köpfe rissen verschreckt die Augen auf, manche von Ihnen schienen Tyark regelrecht anzuflehen.
Trotz aller Angst wallte Wut in Tyark auf. Er fuhr die Stimme an: »Du hast Unrecht, Dämon! Nicht alle Menschen sind so! Viele sind gut und würden niemals so handeln, wie du behauptest! Ich bin nicht so! Niemals habe ich so gehandelt und niemals würde ich so handeln!«
In der Stimme lag etwas Lauerndes.
Nein, natürlich nicht! Doch was ist das menschliche Genie, wenn es von starken Gefühlen bedrängt wird? Tyark, unter eurer Oberfläche seid ihr doch nur wilde Tiere! Gleichgültig, in was ihr euch kleidet. Gleichgültig, wie sehr ihr euch putzt oder welche Errungenschaften eures Geistes ihr euch zu nutzen macht. Die Decke eurer Zivilisation war zu allen Zeiten nicht mehr als ein feiner Hauch, wie auf Wasser nach einer kalten Herbstnacht...
Die Stimme schien zu seufzten.
Aber ich werde dir erklären, weshalb diese Kenntnis der menschlichen Seele wichtig ist. Denn mein... Kind hat verstanden, dass eure große Schwäche euer kleines, schwaches Ich ist. Dass ihr alles tun würdet, um euch groß und stark zu fühlen! Und es ist dabei auf ein Gefühl gestoßen, dass so stark und so überwältigend für euch ist, dass ihr alles tun würdet, um es fühlen zu dürfen. Du weiß, welches ich meine, ja?
Tyark runzelte die Stirn, er verstand nur wenig von dem, was diese seltsame Stimme sagte. Aber er verstand, worauf sie anspielte, hatte er doch intensiv erlebt, wozu diese seltsame Frau, dieses Monster, fähig gewesen war! Leise antwortete er: »Meinst du so etwas wie...Liebe?«
Tyark zuckte zusammen, als die Köpfe vor ihm abfingen, gellend zu lachen. Ihre Gesichter verzerrten sich voller Abscheu und wildem Humor, Speichel und Blut spritze aus den verzerrten Mündern. Tyark fühlte erneut einen dunklen Zorn in sich aufsteigen - die Köpfe beruhigten sich nur langsam.
Die Stimme schien zu schmunzeln als sie antwortete: Ach, die Liebe... nein, Mensch, die Liebe bringt euch nur dazu, alles zu tun. Jede Schandtat, jeder Rest von Verstand wird von ihr aufgelöst. Doch nicht des Gefühls selber willen oder weil ihr das Prinzip der Liebe als höheres Ideal begreift. Es tröstet euer Ich, eurer stetiges, kleines, egoistisches Bedürfnis nach weinerlicher Bestätigung eurer selbst... Und diese Schwäche wird es sein, die euren Untergang besiegelt - wie sie euch bereits einmal an den Rand der Auslöschung gebracht hat.
Tyark spürte Wut in sich aufsteigen und er protestierte: »Die Liebe ist nicht so!«
Etwas heiser fügte er hinzu: »Mayra habe ich geliebt, mehr als mich selbst!«
Die Stimme klang tadelnd: Oh, ich wollte dich nicht erzürnen, Tyark. Aber vielleicht wirst du auch eines Tages begreifen, wie lächerlich dieses Gefühl tatsächlich ist - und wie vergänglich. Und vielleicht wirst du begreifen, dass es wahrhaft nur etwas in diesem Kosmos gibt, das wirklich von Wert ist.
Die Stimme schien plötzlich hinter Tyark zu sein, als sie weitersprach.
Nein, Tyark. Mein Kind hat begriffen, dass es dieses Bedürfnis nach Bestätigung ist, das euch zu willenlosen Werkzeugen machen kann. Die absurde Angst, von euresgleichen zurückgewiesen zu werden. Diese Angst ist es, die euch schwach macht, die euch tun lässt, was ihr seid Äonen tut. Und obwohl die Herrschaft meines Kindes grausam war, obwohl es niemals Gnade oder Milde gezeigt hatte: Trotzdem gab es bereits damals Menschen, die bereit waren, offen oder im Verborgenen ihm zu dienen. Die bereit waren, ihr eigenes Geschlecht zu verraten.
Die Stimme schien zu kichern. Die Köpfe blickten Tyark lauernd an, einige weinten dunkle Tränen. Er spürte ihre Blicke auf seinem Körper brennen. Verwirrt schüttelte er den Kopf.
Und so kam es, wie es kommen musste, Menschlein. Menschen betrügen Menschen und mein Kind wurde befreit... allerdings unter Umständen, die selbst mich, nun, amüsiert haben. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie schwer es
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