Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
aufgeschreckt wurde. Er fluchte, dass er solange geschlafen hatte, sprang schnell auf und erstickte rasch die noch glimmende Glut des Feuers.
Er griff nach seinem Kurzschwert und verbarg sich halb hinter einem der Felsen. Wer mochte hier noch außer ihm durch die Wildnis irren? Räuber? Schlimmeres? Tyark erinnerte sich an die Schauergeschichten über die Grate, welche er von der Wirtin und anderen Reisenden erfahren hatte. Trolle sollte es hier geben, doppelt so groß wie der größte Mann! Oder noch schlimmer, Harpyien, grausame Vogeldämonen, die unachtsame Wanderer in die Höhe rissen und sie dann auf den Felsen zerschmetterten...
Im Dickicht des Waldes konnte Tyark den riesenhaften Schatten erst sehr spät ausmachen, obwohl ihm das berstende Unterholz recht genau verriet, wo sich der Eindringling aufhielt. Er war zu groß für einen Vogeldämon, dies musste also ein Troll sein! Vielleicht auf der Suche nach Menschenfleisch, auf der Suche nach ihm? Tyark begann zu schwitzen und seine Hand verkrampfte sich um den Griff des rostigen Schwerts. Gegen einen Troll zu kämpfen erschien ihm bei genauerem Nachdenken ziemlich sinnlos und er überlegte, wie er am schnellsten von diesem Plateau herunterkommen konnte, ohne sich alle Knochen zu brechen. Seine Kleidung war schweißgetränkt und schon bildete er sich ein, im Wald vor sich zwei rote Punkte anstelle von Augen zu sehen! Mit der Panik kämpfend machte er sich bereit, schnell zu flüchten - oder um sein Leben zu kämpfen.
Gerade als er aufspringen wollte und durch einen kühnen Sprung ins Unterholz seine Haut zu retten gedachte, rief der Troll mit tiefer Stimme ein fragendes »Hallo?« in die klare Luft des Tages.
Tyark zuckte zusammen und fast wäre er dennoch gesprungen, hätte sein Verstand ihm nicht noch rechtzeitig gesagt, dass Trolle wohl weniger zum Sprechen neigten. Dies musste also ein Mensch sein - ob Freund oder Feind würde sich bald herausstellen.
Vorsichtig stand Tyark auf und rief gleichfalls ein leicht zitterndes »Hallo!« dem Unbekannten entgegen.
Ein großer Schatten trat aus dem Wald und kletterte dem Lagerplatz entgegen. Mit dem Schwert in der Hand trat Tyark dem Mann entgegen und als in der Dämmerung endlich ein Gesicht zu erkennen war, zuckte Tyark abermals kurz zusammen, nur um dann sogleich erleichtert das Schwert sinken zu lassen. Es war das schrecklich vernarbte Gesicht desselben Hünen, welchen er im Gasthaus vor einigen Tagen in der Ecke hatte sitzen sehen!
Der Mann baute sich nun in voller Größe vor Tyark auf, das Gesicht zu so etwas wie einem Grinsen verzogen. »Ich grüßte dich, Wanderer! Gestern Abend konnte ich ein fernes Feuer bei der alten Garnison sehen und ich dachte mir, dass dies vielleicht zu der seltsamen Spur gehört, über die ich seit Tagen immer mal wieder stolpere.«
Tyark steckte sein Schwert zurück in die Scheide und grüßte zurück. »Ja, ich bin eigentlich auf dem Weg nach Gratenfels und dachte auch, dass ich die Wegbeschreibung der Wirtin richtig verstanden hätte...«
Der Fremde lachte plötzlich schallend und Tyark zuckte abermals zusammen. Einer seiner gewaltigen Pranken landete schmerzhaft auf Tyarks Schulter. Der Fremde polterte: »Die alte Birma kann so gut den Weg beschreiben, wie sie Bier brauen kann! Oh, du bist sehr weit weg von dem direkten Weg nach Gratenfels! Sehr weit, mein guter Freund! Ich dachte mir so etwas bereits. Nur Irre oder Verlorene wandern ziellos durch diese Wälder.«
Der Fremde gluckste noch eine Weile vor sich hin und erklärte dann: »Ich möchte dich nicht auslachen. Verzeih. Mein Name ist übrigens Pereo.«
Er steckte Tyark seinen starken Arm entgegen und nach einem kurzen Zögern umfasse Tyark ihn. Obwohl er das Gefühl hatte, dass sein Handgelenk gleich zu Mus gequetscht werden würde, lächelte Tyark und bot Pereo den kärglichen Rest des gestrigen Kaninchens an. Bald saßen beide am flackernden Feuer und waren in lockere Plaudereien vertieft.
Tyark erfuhr unter anderem, dass Pereo auf dem Weg in das hoch in den Bergen liegende Dorf Schwarzbach war, um dort seine Halbschwester aufzusuchen. Und Pereo machte ihm klar, dass er wirklich sehr weit von allen größeren Wegen gekommen war. Es war reiner Zufall, dass Pereo vor einigen Tagen über seine Spuren gestolpert war. Hätte Tyark am Abend kein Feuer auf dem Plateau gemacht, hätte Pereo ihn wohl nie gefunden.
Pereo war Soldat im Heer König Gunthers gewesen, doch war mit dem kümmerlichen Rest des Heers nach der
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