Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
blutigen Niederlage an der Schwertküste vor fast einem Jahr Richtung Norden gezogen.
Zum Glück waren die Armee des Kaisers und des Ostreichs erfolgreicher gewesen. Die Horde war an der Grenze zum Ostreich aufgehalten worden, wenn auch nur knapp.
Ob die anderen Reiche weiterhin sicher bleiben würden, vermochte im Moment niemand zu sagen. Pereo hatte sich schließlich beurlauben lassen, um die Schrecken des Krieges in Frieden in seiner Heimat wenigstens für kurze Zeit vergessen zu können.
Während Pereo mit tiefer Stimme und schlichten Worten seine lange Reise beschrieb, hörte Tyark aufmerksam zu. Er fühlte instinktiv, dass auch Pereo ein Flüchtling war - auch wenn seine Heimat noch voller grüner Wälder und Menschen war und nicht in Flammen aufgegangen war wie die von Tyark. »Ich danke dir Pereo, dass du mir dies alles erzählt hast und ich bin sehr froh, dich hier getroffen zu haben. Diese Wälder sind dichter als alles, was ich aus meiner Heimat kenne. Und wesentlich unheimlicher...! Da drüben ist ein Kellerloch und da drinnen wachsen Pflanzen, die offensichtlich ganze Tiere einfangen!«
Pereo wandte seinen Kopf in Richtung der Treppe und brummte dann: »Ja, wenn man in den Graten unter Tage geht muss man aufpassen. Die Fangfäden der Pratanen sind tückisch. Und giftig! Einem erwachsenen Mann kann aber kaum was passieren. Ganz anders bei Kindern...«
Tyark musste unwillkürlich schlucken.
Pereo sah ihn dunkel an: »Es soll in den zahlreichen Höhlen der Grate aber auch Exemplare geben, die auch einem erwachsenen Mann gefährlich werden können. Sie sollen auch nicht nur reglos an der Decke hängen, sondern sogar ihren Platz wechseln können! Schon mancher Wanderer soll sich morgens plötzlich im Maul einer Pratane wiedergefunden haben, die am Abend zuvor noch dutzende Meter weit weg war.«
Als er Tyark bestürztes Gesicht sah, lachte er wieder dröhnend. »Hab keine Angst, Tyark! Das sind wohl eher Märchen betrunkener Reisender! Ich selbst habe noch nie eine Pratane gesehen, die Anstalten machte, ihren Platz zu verlassen. Ich treibe mich aber auch nicht so oft in irgendwelchen Höhlen hier herum. Ich verabscheue geschlossene, dunkle Orte.«
Tyark stutzte, irgendwas in Pereos Stimme ließ ihn aufhorchen. Aus einer Eingebung heraus fragte er: »Sag Pereo, Deine Narben, aus welchem schrecklichen Kampf stammen sie? Ich habe solche Wunden noch nie gesehen.«
Durch das vernarbte Gesicht des alten Soldaten ging eine kaum merkliche Regung und das eine verbliebene Auge schien Tyark regelrecht zu durchbohren. »Ich hatte eine Begegnung mit einem Urgukhal . Einem Dämon.«
Pereo zuckte mit dem Schultern, als ob damit alle Fragen beantworten seien. Dann stand er auf und trug weiteres Feuerholz zu ihrem Lager. Tyark blieb zurück, das Herz erfüllt voll dunkler Angst. Er wusste nicht, was beängstigender war – dass jemand tatsächlich einen leibhaftigen Dämon gesehen hatte - oder dass er noch davon erzählen konnte!
Als sie abends zusammen am Feuer saßen fragte Tyark mit Blick auf die Mauerreste: »Sag, Pereo, was war hier einst gebaut? Es scheint eine recht große Anlage gewesen zu sein?«
Pereo biss in ein fettiges Stück Wildfleisch und erklärte: »Dies ist eine alte Veste. Ein Stützpunkt des Roten Königs.«
Auf Tyarks fragenden Blick hin erklärte Pereo: »Die Riesengrate gehörten zu seinem Königreich. Das mag nun bereits 500 Sommer her sein, eher mehr. Viel weiß ich nicht darüber. Irgendwann zerfiel sein Reich und zurück blieben einige Anlagen seines Heeres in den Graten.
Aber nur hier unten - im Hochgebirge selbst hat noch kein Herrscher es geschafft, dauerhaft Fuß zu fassen. Wenn es überhaupt jemand versucht hat. Wozu auch? Dort oben gibt es nur Felsen, Wetter und die uralten Festungen der Nihilim. Von denen du dich übrigens fernhalten solltest. So wie das alle machen, die hier oben leben.«
Er erzählte Tyark einige der Mythen und Legenden der einfachen Bergvölker hier oben. Tyark sog dieses Wissen förmlich auf, für den Preis, dass er später lange brauchte, um einschlafen zu können.
***
Am nächsten Morgen war Pereo zwar gewohnt wortkarg. Beide bemerkten, dass eine ungewöhnliche Kälte in der frischen Morgenluft lag. Pereo reagierte mit Sorge und murmelte etwas von einem bösen Omen und Geister, die hier am Werk sein mussten. Tyark hatte ebenfalls das Gefühl, dass seine Träume intensiver geworden waren – er versuchte, jeden Gedanken an sie zu vermeiden. Oft genug
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