Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
sich an ihrem Fleisch laben können.
Tyark drehte sich um und begann leise zu lächeln. Er wusste, dass er sich nur vorstellen musste, er hätte seine Schwarze Klinge in der Hand. Mit ihr könnte er auf die schwarzen, verdorbenen Fäden einschlagen. Er könnte dieses alterslose Geschöpf schwer verletzten – oder vielleicht sogar töten. Etwas, zu dem niemand in den letzten Jahrtausenden fähig gewesen war! Er konnte dem Drang kaum widerstehen, vor lauter Triumph laut zu schreien. Das Gefühl der Macht war großartig, nie zuvor hatte er etwas Vergleichbares gespürt. So mussten sich Götter fühlen!
Schlagartig zuckte er zurück. Das Bild der Schädelberges tauchte vor ihm auf und Grauen durchflutete ihn. Er spürte diese schreckliche, körperlose Stimme, wie sie in seinem Geist gesprochen hatte. Wie sie von der Gabe geredet hatte. Es fiel ihm sehr schwer, sich zurückzunehmen. Nein! Er durfte dieser Versuchung dieser dämonischen Macht nicht nachgeben! Er durfte dieser körperlosen Stimme nicht erlauben, von ihm Besitz zu ergreifen, niemals. Er würde die Macht jetzt benutzen, um sie alle zu retten – aber nur so wenig wie möglich. Und hoffentlich zum letzten Mal. Er durfte sie nur dieses eine Mal benutzen: Trotz der starken Euphorie spürte er instinktiv, dass solche absolute Macht einen Preis haben würde. Einen unendlich hohen Preis, auch für einen Dämonenjäger. Oder gerade für einen wie ihn.
Er konzentrierte sich weiter und versuchte, mit dem geistigen Abbild seines Schwertes auf die Fäden einzuschlagen. Ein Prickeln und Brennen ging durch seinen Arm, als die Klinge die dicken und überraschend zähen Fadenbündel traf. Tyark konzentrierte sich und hieb erneut auf die verdorbenen Fäden ein - und endlich gelang es ihm, einige von ihnen zu durchtrennen. Ein Zucken durchlief die restlichen Fäden und Tyark spürte die Kreatur in seinem Geist. Spürte etwas, das die Kreatur schon sehr lange nicht mehr verspürt hatte – Schmerz. Und dann Angst.
Ein wildes Gefühl stieg in ihm auf und der nächste Hieb war noch kraftvoller. Wieder durchtrennte er einige der Fäden, die Kreatur zuckte und wand vor Schmerz. Er sah, wie eine goldene Flüssigkeit aus den Fadenenden strömte und in den Schatten versickerte – er wusste plötzlich, dass dies pure Lebensenergie war. Er widerstand mühsam dem überwältigenden Gefühl der Macht und dem verstörenden Drang, dieses Leben in sich aufzunehmen - es zu inhalieren, es zu trinken. Zu fressen.
Er wurde wieder zurückgerissen als er fühlte, wie Zaja und die anderen mit ihm sprachen, an ihm zerrten. Nur widerwillig verließ er diesen seltsamen, aber wunderbaren Zustand seines Bewusstseins. Sein Körper erschien ihm plötzlich schwer und unangenehm, als er wieder vollkommen klar wurde. Wie verletzlich und schwach schien sein Körper doch im Vergleich zu diesem wunderbaren, machtvollen Zustand!
Wie aus weiter Ferne hörte er Arana triumphieren: »Tyark! Wir haben es geschafft! Dieses Monster hat genug von uns!« Arana blickte triumphierend in Richtung der Decke und auch Muras lachte etwas hysterisch: »Hat dir mein Feuer doch nicht geschmeckt, du verdammtes Monster!«
Tyark blickte sich noch etwas benommen um. Die Mauern um sie herum hatten sich etwas zurückgezogen und die Spalten zwischen den Steinquadern waren vollkommen geschlossen. Keine Schlünde waren mehr zu sehen, keine spitzen Zähne. Auch die Augen an der Decke waren zwischen den Steinen verschwunden. Am Ende des engen Ganges war die Mauer zurückgewichen und hatte einen dunklen Durchgang freigegeben, durch den kühle Luft zu ihnen drang.
Tyark fühlte eine unendliche Erleichterung in sich und begann, mit den anderen zu lachen. Dann sah er, dass Zajas grüne Augen undurchdringlich auf ihm ruhten. Als sie seinen Blick bemerkte, dauerte es etwas zu lang, bevor sie ebenfalls lachen konnte.
Arana rief ihnen zu: »Los! Machen wir, dass wir hier herauskommen, bevor es sich dieses Monster anders überlegt! Schnell!«
Sie liefen zum Ende des Ganges und kurz hatten sie alle die Sorge, dass sich der Gang urplötzlich wieder verschließen würde... doch dann standen sie plötzlich am oberen Rand einer eingestürzten Mauer, welche sich in eine Halle ergoss, die so groß war, dass ihre Kristalle sie kaum noch beleuchten konnten. Sie stolperten und rutschten den Schutthaufen herunter und standen schon bald auf dem Boden der Halle, der aus gewaltigen, steinernen Quadraten bestand, welche mit aufwändigen Gravuren
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