Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
einer bestimmten Zeit auf der Straße einer Stadt zu umarmen und ihm Mut zuzusprechen. Und ein anderer sollte bis an die Wolkengrenze des Lor klettern und von dort einen kleinen Kiesel herunterwerfen.«
Goswin verzog ratlos das Gesicht. »Wie merkwürdig, nicht wahr? Nein, Ronwe spielt ein ganz eigenes Spiel. Ich bin mir sicher, dass jede dieser scheinbar sinnlosen Handlungen etwas in den Gespinsten der Zeit bewirkt! Nur können wir das nicht erkennen, vielleicht, weil wir nicht genug über die Beschaffenheit der Sphären wissen oder weil es erst Jahrhunderte oder gar Jahrtausende später das auslöst, was manche Gelehrten einst als Kausalität bezeichnet haben. Wer weiß!«
Ratlos fragte Tyark: »Was sollen wir also tun? Sollten wir vielleicht den Magister des Magierzirkels um Hilfe bitten?«
Goswin runzelte die Stirn und sagte: »Ich Moment weiß ich nicht weiter, Tyark. Ich muss erst darüber nachdenken, was du mir heute berichtet hast. Aber ich halte es für keine gute Idee, den Hohen Magister des Magierzirkels einzuweihen. Lazarus Tan’Gana würde fragen, woher wir unser Wissen haben! Und zwar zu recht! Und, Tyark, würdest du ihm sagen wollen? Dass du ein Dämonenjäger bist? Nein. Der Hohe Magister befolgt den Kodex der Magier genau und er würde dich sofort der Zirkelwache und dem Orden melden. Aber vielleicht stimmt die Richtung... ich kenne den Bibliothekar des Zirkels recht gut. Sein Name ist Feredrun, er ist ein weiser, alter Magier und ich traue ihm, trotz seiner Fähigkeiten. Vielleicht sollten wir bei ihm...«
Tyark zuckte zusammen, als die schwere Tür zur Halle aufschwang und Muras mit einer kleinen Kanne hereinkam. Muras stand Schweiß auf der Stirn und entschuldigend rief er: »Es tut mir leid, dass es so lange gebraucht hat! Verzeiht mir, Goswin! Aber ihr habt vergessen mir zu berichten, dass der Bruder, den ihr mir genannt habt, sich um diese Stunde bereits in seine Kammer zurückgezogen hat. Ich habe ziemlich lange gebraucht, jemand anderen zu finden, der mir bei der Herstellung des Sudes helfen konnte...«
Goswin bedankte sich höflich und warf Tyark einen kurzen Seitenblick zu. Dann sagte er: »Wir sind hier fertig. Ihr solltet euch auch ausruhen. Ihr werdet von mir hören, bald schon.«
***
Sie hatten Goswin bald darauf verlassen. Auch Muras war aufgefallen, wie müde und kraftlos ihr alter Freund wirkte. Zuletzt hatte er Muras noch den Rat gegeben, sich sehr bald beim Hohen Magier des Magierzirkels von San Lorieth zu melden. Wie Muras mit Bestürzung vernommen hatte, war es Magiern verboten worden, sich unerkannt unter Menschen zu bewegen. Sie waren sogar gezwungen, ein Zeichen an ihrem Ärmel zu tragen.
»Damit uns dann auch jeder schön erkennt und jeder Bauer seine blödsinnigen Ängste an uns auslassen kann! Na wunderbar!«, hatte er empört ausgerufen.
Tyark konnte ihn nur mühsam beruhigen, als sie durch die immer noch vollen Straßen des nächtlichen San Lorieths gingen.
Goswin hatte darauf angesprochen nachdenklich gesagt: »Diese Maßnahmen sind noch einem anderen Umstand geschuldet. Ich hörte, dass es auch zwischen den loyalen Magiern zu Unruhen gekommen sein soll, selbst hier in San Lorieth. Mir scheint, ein Teil der verbliebenen Magier begehrt gegen das rigide System des Ordens und des Zirkels auf, sie bezeichnen sich als Häretiker. Und sie protestieren dagegen, dass ihnen nur die Wahl gelassen wird, entweder unter den strengen Regeln des Ordens zu leben oder als Schwarzmagier gejagt zu werden. Sie wollen Autonomie, wie es heißt. Das Recht, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Sie wollen freie Zirkel gründen und bestehen darauf, deshalb nicht gleich als Verräter behandelt zu werden. Man munkelt, es gäbe bereits eine Geheimorganisation von Magiern, die sich Ägide nennt. Der Krieg hat wahrhaft vieles erschüttert. Selbst die alte Ordnung der Magie.«
Muras hatte Goswin noch eine Weile über die Häretiker ausgefragt, doch Goswin hatte sich weiteren Erläuterungen enthalten. Es war ihm anzusehen gewesen, dass er von dieser Loslösung von der heiligen Ordnung nicht viel hielt und noch weniger zu überzeugen war, Muras davon zu erzählen. Als sie die Basilika hinter sich ließen, hatte Muras seinem Ärger Luft gemacht und gesagt: »Ich verstehe das nicht! Warum soll Widerspruch zu den Regeln des Ordens gleich bedeuten, auch den Großen Alten zu widersprechen? Wer sagt denn, dass der Orden genau weiß, was Sie wollen?«
Tyark hatte sich entschlossen, Muras das
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