Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Titel: Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sulz
Vom Netzwerk:
zurückgezogen. Ich habe schon lange nicht mehr mit ihm reden können, Gesprächen ging er oft aus dem Weg. Hätte ich geahnt, dass etwas nicht mit ihm stimmte...«

    Später am Abend hatte sich Pereo wieder zu seiner Schwester zurückgezogen, die sehr am Verlust ihres Kindes litt. Ihr Mann war erst im letzten Winter bei einem Schneesturz im Gebirge umgekommen, sie war nun vollkommen allein.
    Starker Regen hatte eingesetzt, einige Meilen entfernt tobte sich ein schweres Unwetter aus.
    Tyark hatte von den Bauern gehört, wie sehr sie an diesem nassen und kalten Sommer litten. Keiner von ihnen konnte sich daran erinnern, jemals ein solches Wetter erlebt zu haben. Auch das Vieh schien sehr unruhig - vielleicht aufgrund des Wolfsrudels, dessen unangenehme Bekanntschaft ja auch Tyark, Pereo und Zaja gemacht hatten.
    Als Tyark die große Wölfin erwähnte, schauten ihn einige Bauern erschrocken an, drehten sich schnell weg und vollzogen eine Tyark unbekannte Geste, indem sie gespreizten Fingern in Richtung des Erdbodens zeigten.

    Zaja hatte sich in ihre Hütte zurückgezogen und Tyark traf sie meditierend an, wie er schon oft Angehörige des Ordens gesehen hatte. Zaja hatte sich mit gekreuzten Beinen vor den Kamin gesetzt, beide Hände auf ihr Herz gelegt, die Augen geschlossen.
    Tyark setzte sich leise neben sie und begann müde, seine Habseligkeiten zu ordnen - die wochenlange Reise durch unwegsame Natur hatte ihre Spuren hinterlassen und vieles würde nur noch schwer zu reparieren sein.
    Er beobachtete Zaja dabei heimlich. Auf ihrem kahlen Kopf waren deutlich kurze Stoppeln der nachwachsenden Haare zu sehen. Das flackernde Licht des Feuers tanzte auf ihrem weichen und zugleich hart wirkenden Gesicht.
    Sie hatte die Kapuze abgelegt, das lange Haar ihres Pferdeschwanzes offensichtlich sorgsam gekämmt. Aufmerksam betrachtete Tyark die Form ihres Kopfes, die sich bereits abzeichnenden Falten und die kleineren Narben, die von früheren Verletzungen zeugten. Sie hatte dadurch einen irgendwie zu ihr nicht passenden, harten Gesichtsausdruck, der durch ihre dünnen Lippen noch verstärkt wurde.
    Aber um ihre Augen herum lag eine milde, fast schon eine heimliche Traurigkeit – und auch Schönheit.
    Eine Regung ging durch ihr Gesicht, ein schmales Lächeln zuckte um die Mundwinkel. Mit geschlossenen Augen und ohne den Kopf zu drehen, sagte sie sanft: »Du solltest jetzt schlafen, es ist spät.«
    Tyark wandte sich hastig ab, er spürte, wie seine Wangen zu glühen schienen.

LIEBE

    A ls Tyark die Augen öffnete, wusste er zunächst nicht wo er war.
    Er drehte sich um und kniff mehrfach die Augen zusammen. Um ihn herum herrschte tiefe Stille, lediglich das leise Knacken des fast abgebrannten Feuers war zu hören. In seinem Kopf drehte es sich leicht.
    Mühsam richtete er sich auf und blickte in der Hütte umher, welche vollständig von einem eigenartigen Zwielicht erfüllt war, das keine erkennbare Quelle hatte.
    Was er dann sah, ließ seinen Magen zusammenkrampfen, ihn wurde schwindelig. Er sah sich selbst schemenhaft am Boden liegen, eingehüllt in seine abgenutzte graue Decke!
    Tyark wich langsam zurück und blickte sich mit aufkommender Panik in der Hütte um. Dann sah er Zaja. Wie sein eigenes Abbild seltsam blass und fast durchscheinend.
    Seine Finger krallten sich in die hölzerne Wand der Hütte hinter sich. Ihm war gleichzeitig heiß und kalt. War er tot? War das hier das Totenreich? Oder war er gar einem Draugr geworden, einem ruhelosen Totengeist, der von nun an in alle Ewigkeit zwischen den Sterblichen umherwandern würde?
    »Zaja? Zaja!«
    Tyark rief ihren Namen, der seltsam Dumpf aus seinem Mund kam, fast, als spräche er durch ein Stück Stoff. Zaja zeigte keine Reaktion.
    Er kniete sich neben sie nieder und versuchte, sie zu berühren. Er griff direkt durch sie durch, spürte den lehmigen Hüttenboden an seinen Fingerspitzen. Seine Hand wurde dabei seltsam kalt. Hastig zog er sie wieder zurück und starrte Zaja ungläubig an. Diese zeigte weiter keine Reaktion – dann sah Tyark, wie sich ihr Brustkorb regelmäßig hob und senkte. Sie war also nicht tot!
    Er betrachtete seinen eigenen Körper, der neben Zaja lag. Erleichtert sah er, dass auch er selbst ruhig atmete. Was war hier los?
    Er wandte sich zum Feuer um und bemerkte verstört, dass die Glut keine Wärme mehr gab, sondern, völlig verkehrt, Kälte. Je näher er an die Feuerstelle kam, desto mehr hatte er das Gefühl, ein winterlicher Hauch würde sich

Weitere Kostenlose Bücher