WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
andere nichtmenschliche Wesen mit verhärmten Gesichtern, ärmlich gekleidet und schmutzstarrend. Vom stolzen Gründungshaus der Magiergilde, das in Kratens Wirklichkeit die Sammlung magischer Schriften beherbergte, war nur ein unkrautüberwucherter Steinhaufen übrig.
Kraten rutschte von seinem Vogel und sah sich um. „In meiner Erin-nerung standen auf dem Marktplatz stets Abenteurer, die ihre Beute feilgeboten, und die Gasthäuser waren voller leichtbekleideter Elfen-mädchen und betrunkener Zauberer.“
„Ich nehme an, das ist eine sehr individuelle Erinnerung“, sagte Hen -ning.
Beldragon wand sich im Griff der Papageienzehen. „Könnt ihr mir mal helfen? Der verdammte Vogel benutzt mich als Fußabtreter.“
„Der ist ziemlich nachtragend“, grinste Gillead, bequemte sich dann aber, dem Papagei mit dem Stab auf die Klaue zu schlagen und den Kanzler zu befreien. Mit einem wütenden Krächzen stieg das Tier in die Luft. Der Windstoß fegte Stroh von einem Stalldach.
Beldragon klopfte sich den Staub vom Umhang. Zwei Tagediebe taxierten unverhohlen seine Goldketten.
„Na gut, wir sind aus dem Sumpf entkommen, aber wir müssen immer noch Hubert aufhalten. Haben wir einen Plan?“
Kraten ging zu den Trümmern des Gildehauses. „Hubert hätte in un-sere Sphäre fliehen oder die Welten vollständig verschmelzen können. Stattdessen holt er nur die Lebewesen hierher. Das hat ihn verraten. Ich weiß jetzt, wie ich ihm den Spaß verderben kann.“ Er streckte die Hand aus, die Steine polterten beiseite, ein Granitblock stieg aus dem Unter-grund. Kraten berührte ihn, worauf eine der Seiten wegklappte und den Blick auf Pergamente und eine Metallhülse freigab, die genau so aussah wie die von Hubert. „Als ich diese Sphäre abspaltete, habe ich sicher-heitshalber eine zweite Karte im Grundstein der Gilde versteckt.“ Er öffnete den Verschluss und nahm eine glänzende Rolle heraus, sie war durchsichtig, als bestände sie aus flexiblem Glas. „So, mal sehen ...“
Mit dem Zeigefinger verschob er arkane Zeichen. Die Luft schimmerte, und plötzlich materialisierten rings um sie Gebäude und breite Kopf -steinstraßen mit Ständen voller Handelswaren, auf die sich die Sphären-bewohner wie ausgehungerte Hunde stürzten.
Kraten grinste zufrieden. „Legen wir einen Sumpf trocken.“
Sie hätten die Kutsche eines der Händler nehmen können, aber Kraten und Henning bestanden auf ein möglichst komfortables Gefährt. Der goldene Staatswagen, den sie im Kutschenhaus des frisch versetzten Schlosses stahlen, erfüllte diese Bedingung. Während sie weich gefedert über die Heerstraße fuhren, beobachteten sie, wie durch die Macht ihrer Karte die Zivilisation in die Sphäre einfiel. Felder und Bauernhöfe ersetzten Wiesen und Wald, Fischteiche entstanden, Weinberge zogen sich die Hänge hinauf und alle paar Kilometer wuchs an der Straße ein Feuerturm in den Himmel.
„Schau Finea! Da kommt der Nächste!“, rief Gillead begeistert.
Beldragon saß still in den Samtpolstern und bedachte Kraten mit an -klagenden Blicken. Schließlich brach es aus ihm heraus. „Kraten, große Götter! Die ganze Garnison ist auf den Beinen, drei Hundertschaften auf dem Schlosshof, Reitereiverbände sammeln sich auf dem Markt-platz. Und überall sind spitze Hüte unterwegs. Zweifellos informiert der Rat der Großmagier gerade König Otwin über die Sphärenüber-lagerung. Als Kanzler wäre das eigentlich meine Aufgabe.“
Kraten blickte von der Karte auf. „Der König ist ein guter Junge, aber fürs Schlachtfeld taugt er nur, solange es um unwichtigen Kram wie Ehre und dynastischen Firlefanz geht.“ Er lächelte, als er Beldragons Miene entgleisen sah. „Für die ernsten Dinge des Lebens braucht es fähige Zauberer.“
„Und Zauberinnen“, ergänzte Finea. „Übrigens verstehe ich immer noch nicht, wieso wir nicht auf Hubert warten konnten. Das dauernde Hin und Her schlägt mir auf den Magen.“
„Hubert lebt nicht nur in der Wildnis, er bezieht seine Magie daraus und damit auch seine Lebenskraft. Das ganze Geschwätz über die Weisheit des Sumpfes ist nur Show. Er hatte gar keine andere Wahl, als gegen Vakorum und die Gilde vorzugehen, weil die Siedlung mit all den Bauern, Holzfällern und Abenteurern eine tödliche Bedrohung für ihn war.“
Beldragon seufzte, auf seinen Stab gestützt. „Sie hatten kein Recht, das Wissen über Hubert für sich zu behalten. Sind Sie wirklich so arrogant zu glauben, Ihre Fähigkeiten
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