WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
und die Lichter würden sie in allen Facetten zeic hnen. Und Melia würde glücklich sein.
Als sie zwischen den anderen Gorin langsam aus dem Raum trottete, rieb sie sich die verkrampften Glieder. Überall an ihrer Haut sah sie Druckstellen. Kleine rote Male, wo der Platz nicht mehr gereicht hatte und ein anderes Bein sich gegen ihres gepresst hatte. Ein Junge weinte. Er war alt genug, um zum ersten Mal verkauft zu werden und kaum halb so groß wie Melia. Er tat ihr leid, doch Mitleid half ihm nicht und ihr schon gar nicht. Sie musste stark sein. Vielleicht würde sie zu einem netten Herrn kommen, der sie gut behandelte.
„Bitte, summ noch einmal“, bat eine sehr leise Stimme, als sie sich in einer langen Reihe durch die Korridore schlängelten. Melia sah auf und entdeckte den Jungen neben sich. Er hatte hellblaue Augen und lange, dichte Wimpern. Das Beste, das sie ihm wünschen konnte, war, dass er früh starb. Sie schüttelte leicht den Kopf.
„Was geschieht mit mir?“, fragte der Junge. Doch diesmal hatte er sich zu seiner Mutter umgewandt, der stumme Tränen über die Wangen liefen. Sie sagte nichts.
„Wenn du Glück hast, wirst du sterben“, bemerkte eine Frau weiter hinten und die Augen des Jungen weiteten sich vor Entsetzen. Er hatte noch Hoffnung! Und da kam die Hoffnung, die Melia so lange vermisst hatte, auch zu ihr zurück. Und sie begann zu singen. Leise, unendlich leise. Doch die Worte klangen klar und sanft und der Junge sah sie mit großen Augen an.
Das erste Licht verblüht
Und dunkler Himmel zieht vorbei
In unseren Herzen Feuer glüht
Und Tr äume sagen uns, wir werden frei
Als sie einen breiten Gang erreichten, verstummte Melia und senkte den Blick. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Die junge Mutter lächelte und auch in ihren Augen glomm ein kleiner Schimmer Hoff -nung. Ein winziges Lächeln erhellte Melias Züge, dann wandte sie sich wieder nach vorn.
Sie hatten den großen Saal erreicht. Und dort in der Mitte spürte Melia es. Das eine, was ihr alles bedeutete. Das eine, das ihre Freiheit war. Dort lag es und nur ein einziger Mann stand dort. Ein Schwert in der Hand, den Blick starr auf die Sklaven gerichtet. Er würde sie töten, wenn sie in die Reichweite seines Schwertes kamen. So nah, wie ihr Herz auf einmal schien, so fern war es auch.
Sie konnte es sehen. Dort zwischen den anderen schlanken Ketten, lag die kleine Kette aus purem Gold, an der ihr Herz hing. Es war ein kleiner Tropfen Metall, über den eine helle blaue Flamme zuckte. Das Blau hatte die gleiche Farbe wie Melias Augen und das Metall glänzte in dem gleichen dunklen Ton wie ihre Haut.
Immer, wenn sie es sah, spürte sie die Leere, dort wo ihr Herz hätte lodern sollen. Sie war ihm immer nahe genug, dass sein Feuer sie am Leben hielt, doch nie nahe genug, um wirklich zu leben. Wann hatte sie sich das letzte Mal vollständig gefühlt? Es musste ein Jahrhundert her sein, vielleicht auch noch länger. Sie hatte aufgehört die Jahre zu zählen. Sie zählte nur die Male, wenn sie tanzte oder ihr Herz sah. Mit dem heutigen Tag waren es beim einen zehn und beim anderen drei.
Unsicher sah sie in die anderen Gesichter und sah geweitete Pupillen und Tränen, als alle ihr Allerheiligstes betrachteten. Schnell wandte sie ihren Blick wieder ab. Dabei streiften ihre Augen einen der dunklen Türbögen, die von dem Herzstück des Hauses wegführten.
Dort stand ein Mann. Er zog Melias Aufmerksamkeit auf sich, als wäre er ein strahlender Mond in finsterer Nacht. Der Schein der Fackeln spiegelt e sich in seinen Augen und an dem goldenen Dolch, der ihn als Akai auswies.
Melia hatte schon viele dieser Männer gesehen, die das ganze Land kontrollierten und einige von ihnen hatten Melia, die schlimmsten Di nge angetan, doch keiner der Männer hatte so viel Macht, so viel Selbstvertrauen ausgestrahlt.
Erst als ihr schwindelig wurde, bemerkte Melia, dass sie vergessen hatte zu atmen. Die harten, ausdrucksstarken Augen hatten sie alles verges -sen lassen. Ihr Herz raste, viel schneller als nach jedem Albtraum.
Aus dem Augenwinkel bemerkte Melia ihr Herz, das auf dem Tisch lag und in blaue Wirbel ausgebrochen war. Doch in diesem Moment war Melia ihr Herz egal. Sie spürte, dass ihr Blick in eine andere Richtung gezogen wurde. So oft sie ihn auch abwandte, so oft kehrte er zurück. Zurück zu dem dunklen Fremden in weiten Hosen und ebenso weitem Hemd. Der Stoff schien seinen Körper zu umfließen, als wäre er leben -dig. Seine
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