WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
Arme waren muskulös, sein Gesicht gerade so kantig, dass es noch als schön bezeichnet werden konnte, und sein Blick so scharf, als wolle er Melias Seele zerschneiden.
Auch seine Augen ruhten unverwandt auf Melia. Und sie wurde sich bewusst, wie verdreckt und abgerissen sie aussehen musste. Zwar waren ihre Kleider aus feinem Stoff, doch auch sie waren zerknittert und dr eckig. Ihre Haare waren wild und überall spürte sie den Schmutz, der die dunklen Linien aus Metall auf ihrer Haut nachzog. Unwohl rieb sich Melia über den Arm, um wenigstens etwas Sand loszuwerden, gab es aber schnell wieder auf. Jetzt konnte sie nichts an ihrer Erscheinung ändern.
In wenigen Stunden würde sie gewaschen und hergerichtet sein. Dann, wenn endlich ihr lang ersehnter Tanz begann, würde er sie in ihrer ga nzen Pracht strahlen sehen. Melia spürte Freude in sich aufsteigen. Sie würde für diesen Mann tanzen. Sie würde all ihre Leidenschaft in jenen Tanz legen, der vielleicht ihr letzter war, und würde versuchen diesen Mann für sich zu gewinnen. Er musste es sein, der ihr Herz kaufte. Er musste ihr Akai werden.
Melia bemerkte zuerst gar nicht, dass immer mehr der anderen Gorin weggeführt wurden. Dann wurde auch sie am Arm gepackt und fort von den Herzen geführt. Sie wurde auf jene Tür zugeführt, in der der Fremde stand. Jetzt, da sie ihm immer näher kam, wirkte seine Er-scheinung noch beeindruckender.
Melia konnte ihren Blick nicht senken, als sie an ihm vorbei geschoben wurde, obwohl sie wusste, dass ein Blick in das Gesicht eines Akais Schläge nach sich zog.
Der kurze Augenblick, in dem sie sein Gesicht aus kaum einer Arm-länge Entfernung betrachten konnte, machte jeden Schmerz unwichtig, den sie dafür erleiden würde. Sie sah seine Augen. Und darin las sie so viel, das ihr nicht aufgefallen war, als sie ihn aus der Ferne betrachtet hatte. Da war keine Härte. Das, was sie für Härte gehalten hatte, war ein intelligenter Geist, ein scharfer Verstand und ein Funken, den sie als Humor gedeutet hätte, wenn sie nicht gerade in die Augen eines Akais gesehen hätte. An der Macht, die er ausstrahlte, hatte sich nichts geän-dert. Viel eher war sie noch erdrückender geworden.
Kurz bevor sie an ihm vorbei war, begriff sie, dass sein Kopf ihr folgte. Seine Arme waren abwehrend verschränkt, seine Beine wie im Boden verwurzelt, doch seine Augen und sein Kopf folgten ihr, beinahe ge -nauso widerwillig, wie sie ihn ansah.
Und dann war sie an ihm vorbei, wurde lange Flure entlang geführt und konnte doch nur an den Mann denken. Den Mann mit den schwarzen Augen. Auch als sie vor ihrem Akai kniete und von den Dienerinnen gewaschen wurde, waren ihre Gedanken im Raum mit den Herzen und dem Mann in der Tür. Wer mochte er sein? Konnte er sich Melia lei sten? Sie war teuer. Ihr Akai verkaufte sie nur aus dem einen Grund, dass sie jene Sklavin war, die das meiste Geld brachte. Dieser Tatsache war sich Melia bewusst, doch es war ihr immer egal gewesen. Bis zum heutigen Tag. Was, wenn ein anderer sie kaufte?
Denk nicht daran. Denk an den Tanz. Denk an das Leben . Die strengen Ermahnungen halfen Melia, sich von dem Mann abzulenken, doch als sie fertig war und ihr Auftritt immer näher rückte, kamen sie wieder, die flehenden Gedanken, dass er sie kaufen würde.
Am Rand einer großen Bühne kniend beobachtete Melia die Gescheh -nisse. Inzwischen waren die Herzen, die an diesem Tag auf dem Basar angeboten wurden, an den Wänden dekorativ auf flache Säulen gelegt worden. Dunkelroter Stoff lag unter jedem einzelnen. Melia wusste, wo ihr Herz war, auch wenn sie es noch nicht gesehen hatte. Es befand sich am hinteren Ende des Raums. In diesem Moment in ihrem Rü-cken. Erst wenn sie auf der Bühne stand, würde sie in die richtige Rich-tung sehen können.
Während sie den Reden lauschte, wandte Melia leicht den Kopf, um die Männer anzusehen, die in den ersten Reihen auf weichen Kissen saßen. Die meisten Gesichter kannte sie, doch das eine Gesicht war nicht zu finden. Die Frauen saßen in den Reihen hinter den Männern. Ihr Ziel war vermutlich nicht der zentrale Raum gewesen. Melia wusste, dass es in den angrenzenden Gärten hunderte von Ständen gab, die alles anb oten, was ein Menschenherz begehrte. Stoffe und Schmuckstücke, exotische Tiere und Delikatessen, Dinge, die Melia noch nie gesehen hatte. Nach ihrem Tanz war es ihr erlaubt, sich frei in den Verkaufsräumen zu bewegen. Sie würde die Wunder betrachten und sich selbst mit den
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