WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
erlesenen Schätzen vergleichen, denn sie war auch nur eines der vielen Angebote, die es hier gab.
Doch in erster Linie würde sie nicht nach der außergewöhnlichsten Ware suchen, sondern nach dem außergewöhnlichsten Käufer.
„Melia del Semirai“, rief die dunkle Stimme des Hausbesitzers.
Melia sah ihn an und entde ckte an seiner Seite ihren Herrn. Mit aller Eleganz, die sie in dem engen Rock aufbringen konnte, stand sie auf. Sie spürte ihre Haare auf der nackten Haut ihres Rückens, als sie vor-sichtig die Stufen zur Bühne hinaufstieg.
Als sie sich dem Publikum zuwandte, suchte ihr Blick sofort das kleine Feuer am Ende des Raums. Und dort war es. Ihr Herz. Auf einem r oten Tuch, an einer goldenen Kette. Und daneben stand er.
Melia stockte der Atem. Sein Blick war starr auf ihr Herz gerichtet. Sie sah den Schein der Flammen in seinen Augen und glaubte für einen Moment, dass alle Töne aus der Welt gesogen worden waren.
Dann erklangen zarte, wunderschöne Töne. Melia nahm sie nur ganz am Rand ihres Bewusstseins wahr, doch es reichte, um ihren Körper in Bewegung zu setzen. In vielen Nächten hatte sie sich selbst einen Rhythmus gesummt, hatte den Körper in Kreisen und Wellen bewegt, die Arme zur Umrandung des Kunstwerks genutzt, zu dem sie ihren Körper machte. Nun gaben zarte Klänge und dunkle Bässe ihr den Rhythmus vor und sie tanzte. Sie wurde zu jenem Kunstwerk, das sie sein wollte. Bei jedem Schritt nur jenen Mann im Blick, der jetzt den Blick von ihrem Heiligsten abgewandt hatte und ihren Bewegungen folgte. Melia sah die Spiegelungen der Flammen auf den feinen Adern aus dunklem Metall, die sich über ihre Haut zogen. In diesem Licht wirkten sie wie pures Gold. Der Rhythmus verlieh ihrem Körper eine Leichtigkeit, die sie den Ort vergessen ließ. Sie schien zu schweben. Nur die schwarzen Augen folgten ihr in den Raum zwischen den Zeiten.
Das Lied war lang. Und es war wundervoll. Noch nie hatte sie so eine schöne Melodie gehört. Die zarten Instrumente erinnerten Melia an Virenia, die sie das Träumen und Tanzen gelehrt hatte. Die Erinnerung ließ Melia lächeln. Wann hatte sie sich das letzte Mal so glücklich gefühlt? Und dann verklangen die Töne und zurück blieb nur ihr ke uchender Atem. Sie zwang sich ruhig zu stehen, den Kopf gesenkt.
Erst als Beifall aufbrandete, hob sie den Kopf und sah ihn an. Und in seinen Augen las sie Freude und Bewunderung. Das Lächeln blieb auf ihrem Gesicht, als sie von der kleinen Bühne trat und sich an den Rand des Geschehens setzte.
Die kleinen Auftritte gingen weiter. Manche ihrer Leidensgenossen waren kaum in der Lage zu stehen, geschweige denn zu tanzen, zu singen oder ein Gedicht aufzusagen. Melia schloss die Augen, um das Grauen nicht an sich zu lassen. Mit aller Macht zwang sie das Glück zu bleiben. Und es war nicht schwer. Denn ein Gedanke an den Fremden reichte, um ihr ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Sie glaubte seinen Blick auf sich zu spüren.
Als der kleine Junge an der Reihe war, wünschte Melia ihm alles nur erdenklich Gute. Sie war erstaunt über seinen Auftritt, der ihrem eige -nen in nichts nachstand. Er verbog sich, sprang und lachte.
Melia blickte in die Augen der Akai und sah Bewunderung. Vielleicht würde er tatsächlich Glück haben und als Unterhalter gekauft werden.
Nach den Vorführungen der Gorin verließen die Akai einer nach dem anderen den Raum. Zuletzt waren nur noch die Wachen da, die stur neben den Herzen standen. Melia erhob sich vorsichtig. Sie wollte sich frei bewegen dürfen und dafür durfte sie nicht negativ auffallen. Sie senkte den Kopf und wandte sich jener Tür zu, neben der ihr Herz glomm. Der Fremde war fort.
Die Wache sah ernst und unnachgiebig aus, als sie an ihrem Herz vo rbei ging. Sie spürte, dass der Mann angespannt war. Jederzeit bereit Melia zu töten. Aber sie hatte nicht vor sich auf ihr Herz zu werfen. Sie wollte nur aus dem Raum raus und dann für einen kurzen Augenblick die Freiheit genießen und die fremden Gegenstände betrachten. Es gab viele Dinge, doch an den meisten hatte Melia wenig Interesse. Ihre Augen wanderten öfter über die Menschen als über das dargebotene Gold und Silber.
Im Gegensatz zum innersten Raum waren hier viele Frauen und auch einige Männer, die Melia noch nie gesehen hatte. Sie waren weniger reich, das konnte Melia an den fehlenden Messern und oft einfarbigen Stoffen erkennen. Zwischen all den Leuten stießen ihre Augen oft auf schwarze Gestalten, doch
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