WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
versteigert. Melia lächelte, als sie den Haupt -bieter erkannte. Er war ein strenger, aber gerechter Herr. Dort würde der Junge leben können. Nach einigem Hin und Her wurde das Herz an den Mann übergeben, der es sich ohne zu zögern um den Hals schlang.
Tubir hielt noch immer Melias Hand, als ihr Herz nach vorn getragen wurde. Erst als sie gerufen wurde, ließ er sie los. Für einen Moment konnte Melia sich nicht von ihm fort bewegen, dann half er ihr mit einem leichten Stoß nach. Und schon befand sie sich auf der Bühne und konnte in die gaffenden Gesichter blicken. Männer, die sie nicht liebte, überboten sich. Jeder im Raum schien ein Gebot abgeben zu wollen. Nur der eine nicht.
Der Preis war inzwischen unverschämt hoch und Melia dachte mit einem bitteren Lächeln an die fünf Feigen, für die sie das erste Mal verkauft worden war. Und dann, gerade in dem Moment, in dem sie dachte, dass sie an einen fetten, ungepflegten Kerl gehen würde, hörte sie die leise Stimme, die doch alle anderen Geräusche übertönte. „Das Gewicht ihres Herzens in Gold.“
Tubir stand noch immer an der Wand, wo sie ihn verlassen hatte. Alle Köpfe wandten sich ihm zu. Alles war still. Dann wurde sein Gebot bestätigt und schon wurde verkündet, dass sie nun ihm gehörte.
Als die Wache mit Melias Herz zu ihm trat, nahm er es. Ihr Feuer loderte in seinen Augen. Die Flammen züngelten ohne Schaden anzu-richten an seiner Haut entlang, während er auf sie zukam.
Melia begriff nicht, was er tat, bis er das Herz von der Kette gelöst hatte. Er warf einen Beutel auf die Bühne und hob dann Melia herun -ter. Während er ihr tief in die Augen blickte und seine Lippen mit den ihren verschmolzen, legte er das lodernde Stück Metall zwischen Melias Brüste, dort wo es rechtmäßig hingehörte. Sie spürte sofort, wie es von den Adern umschlungen wurde.
Doch sie konnte das Gefühl nicht genießen. Tränen brannten in ihren Augen. Es war verboten! Das durfte er nicht! Nicht hier und nirgendwo sonst. Niemand durfte einer Gorin ihr Herz geben!
„Ich liebe dich!“, hauchte er unendlich zart.
„Ich dich auch!“, erwiderte sie, als starke Hände sich um seine Arme schlossen und ihn von ihr fortzogen. Mit einem Mal war es laut im Raum. Alle schienen zu schreien, nur Melia und Tubir waren still. Sie brauchten nichts sagen. Ihre Blicke sagten alles. Sie nahmen Abschied. Der Schmerz war unerträglich, als Melia sah, wie Tubirs Schwert aus seiner Scheide gerissen wurde und er in der Menge verschwand.
Melia war erstarrt.
Dann schrie sie auf, weil ein fester Griff sie packte, sie rammte dem Mann ihr Knie in den Bauch und warf sich in die Menge.
Flammen loderten auf ihrem Körper. Helle, blaue Flammen, die jeden Menschen verbrannten, der ihr zu nahe kam. Dann war sie bei Tubir. Sie warf sich auf ihn. Rotes Blut floss aus seinem Mund. Doch es war ihr egal. Sie wollte ihn küssen, sie wollte ihn nie wieder loslassen. In dem Moment, in dem sich ihre Lippen berührten und ein kleines L ächeln in seine Augen trat, fühlte sie sich komplett.
Ihre Tränen waren längst getrocknet, als sie mit Tubir im Arm in der Ruine saß. Alles war verbrannt, außer den Gorin und Tubir. Kein Mensch lebte mehr. Es war Melia egal. Nur Tubir zählte und er lag in ihren Armen, die Augen geschlossen. Wann das Leben ihn verlassen hatte, konnte Melia nicht sagen, doch es war ihretwegen geschehen. Nur eines konnte sie jetzt noch für ihn tun. Seine Liebe immer in ihrem Herzen bewahren, während sie lebte. Die goldenen Flammen, die sie einhüllten, verschlangen seinen Körper und führten ihn in jene Welt, in der sie ihn wiedersehen wü rde.
Eine dämonische Maskerade
Daniel Schlegel
Schweigend betrachtete sie ihr Spiegelbild. Große Augen, giftgrün leuchtende Smaragde, erwiderten ihren Blick. Die Lippen tiefrot, glänzend wie frisches Blut; die Haut totenbleich. Sorgfältig überprüfte sie den Sitz ihres Kleides – viktorianischer Stil, lange Ärmel, Stehkragen sowie Korsett, braun- und karminroter Stoff mit goldfarbenen Fäden durchwoben. Für einen flüchtigen Moment wandte sie sich von ihrem Ebenbild ab und streifte sich schmucklose purpurviolette Handschuhe über. Anschließend strich sie sich die kohlrabenschwarzen Haare zu-rück. Die Halbmaske, die sie sich aufsetzte, verbarg die obere Hälfte ihres Gesichts hinter zinnoberroter Seide. Abermals richtete sich ihr Blick auf den Spiegel. Ihre Mundwinkel zogen sich nach oben und formten ein
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