WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
verzierten Maske und ihrem blondem Haar. Nur ihre Augen verrieten ihre Pein und flehten mich an ihr zu helfen. Doch was sollte ich tun? Der Doge gab mir den Kelch, schnitt sich mit dem Dolch in den Handballen und ließ einige Tropfen seines eigenen Blutes hinein tropfen.
„Wie entscheidet Ihr Euch, René? Werdet Ihr zusehen, wie sie stirbt? Wollt Ihr warten, bis Ihr selbst zugrunde geht? Oder wählt Ihr die U nendlichkeit? Entscheidet schnell, bevor Ihr zu schwach dazu seid.“
Entscheiden? Was denn entscheiden? Ich wollte noch nicht sterben! Nicht so, nicht hier. Ich wollte auch nicht ohne Josephine leben. Was ist das hier? Der Doge wartete nicht, er ging weiter zum nächsten Paar. Wieder hallten die Stimmen seines Gefolges in meinem Kopf: „Trink!“, „Töte sie!“, forderten sie mich unentwegt auf.
Josephine verlor das Bewusstsein. Ihr Puls verlangsamte sich, doch der Blutstrom riss einfach nicht ab. Unerbittlich pumpte ihr Herz mit j edem Schlag das Leben aus ihr heraus. In mir fühlte ich einen allum-fassenden Schmerz, während das Rizin meinen Körper zersetzte. Zwiegespalten betrachtete ich den Kelch und führte ihn an meine Lippen. Oh, Josephine! Wirst du mir jemals verzeihen können? Ich trank ohne weiter darüber nachzudenken, würgte, zwang mich erneut zu schlucken. Ungerührt vom Geschehen gingen der Doge und die Dogaressa durch die Reihen, schnitten ihre Opfer, tranken ihr Blut und gaben ihr eigenes, um uns Auserwählte zu nähren.
Voller Wut warf ich den Kelch beiseite und vergrub mein Gesicht in Josephines Schoß, wo sich bereits eine Lache gebildet hatte. Der G eruch und der Gedanke daran ließen mich erneut vor Ekel würgen, aber gleichzeitig entbrannte in mir auch ein schier unbändiges Verlangen nach – ihrem Blut? Mit Bedacht leckte ich es mir von den Lippen, sog es dann aus ihrem Kleid, bevor ich mich letztendlich wie ein halb verhungertes Tier über sie hermachte. Ja, animalisch beschrieb mein Verhalten ganz gut. Irgendwann hörte ihr Herz auf zu schlagen und die Hände gaben sie knarzend frei. Liebevoll berührte ich ihr blasses Ge-sicht und sie fiel mir entgegen. Ich fing an zu weinen, aus Verzweiflung und aus Angst, um ihretwillen und um meinetwillen. Ihren leblosen Körper an mich gepresst, sanken wir zurück auf den Steinboden und ich wog sie in meinen Armen hin und her. Was hatte ich nur getan? Was hatte ich nur getan!
Dann begann alles um mich herum zu verblassen. Mein Körper wurde taub und die Schreie dumpf. Nur den Dogen hörte ich klar und deutlich in meinem Kopf: „Tanzt, meine Kinder, tanzt!“, forderte er sein Gefolge auf und Musik erklang aus weiter Ferne. Ich spürte die Vibrationen, während wir in ihrer Mitte starben.
Nur eine Wette
Andreas Thiel
Ein würziger Duft von Tabakrauch erfüllte die Luft. Der fahle Dunst waberte in dem spärlich beleuchteten Schankraum umher wie ein gespenstischer Nebel. Grobschlächtige Gestalten tauchten darin auf und verschwanden schwankend im Halbdunkel irgendeiner Ecke. Das Gemurmel von unzähligen Stimmen vermischte sich zu einem un-durchdringlich lauten, allgegenwärtigen Schwall aus Worten, der es unmöglich machte, einem einzelnen Gespräch zu folgen. Der rote Hahn wurde seinem Ruf als verruchte Spelunke mehr als gerecht.
Die Sonne war bereits untergangen und die Königsstadt Weikal war eingetaucht in den kalten Lichtschein eines wolkenlosen Sternenhim -mels. Sesania war zeitig vor dem Treffen mit ihrem potentiellen Auftraggeber erschienen. Sie hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, den Ort für ihre Treffen im Vorfeld zu inspizieren, um vor etwaigen Überraschungen möglichst gefeit zu sein. Den Mann, der sie für ihre Dienste anheuern wollte, kannte sie nicht. Sie wusste nur, dass er einen kupfernen Ring mit einem geschliffenen Amethyst tragen würde, das Zeichen eines Lehrlings der magischen Künste.
Während Sesania die Männer im Schankraum des roten Hahns studierte, bemerkte sie eine seltsame Gruppe an einem der hinteren Tische. Zufällig wurde sie Zeuge wie ein Beutel aus schwarzem Leder über den Tisch geschoben wurde. Ein kleines violettes Licht blitzte kaum merk-lich auf, als einer der Gäste danach griff. Der Beutel verschwand in dessen weiten Gewändern und kurz darauf schob er ein mit Münzen prall gefülltes Stoffsäckchen im Gegenzug in die Mitte des Tisches. Ein großer, bärtiger Mann in schwerer Rüstung nahm die Bezahlung ent-gegen. Ein kurzes Nicken und die Söldner standen auf,
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