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WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)

WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)

Titel: WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Dann nahm ich einen kleineren, langen und dünnen, der in der Mitte durchgebrochen war. Ich glaube, es war ein Teil von seinem Unterarm und jemand hatte an das Mark gewollt.
    Diesen Knochen nahm ich und besah ihn und fühlte ihn und küsste ihn, bis das erste Licht des neuen Tages am Horizont auftauchte. Da konnte ich den Schmerz nicht mehr ertragen und setzte mir den Kno-chen selbst an den Hals und stach fest zu. Daran verblutete ich. Später fanden sie meinen Körper und schafften ihn fort; ich weiß nicht, wohin. Seitdem sitze ich hier und weine in der schalen Hoffnung auf eine andere Welt, die doch nicht kommt. Nein, nichts ist gekommen, nur gegangen sind sie, denn manchmal hören sie mein Weinen, und dann fürchten sie sich. Deshalb wohl war schon seit vielen Jahren niemand mehr hier.“
    „ Dann ist der Grund dafür, dass du noch hier bist, dein eigener Glauben an die Größe deiner Schuld“, stellte Enbera fest, und der Klang seiner Stimme war bei diesen gehauchten Worten zwar hohl, doch auch stark und sicher.
    „ Ja“, sagte der nebelhafte Schemen der jungen Frau, „und ich kann hier nicht fort, als bis die Zeit ein Ende nimmt. Diese Zeit, wie ich sie kenne, zumindest.“
    „ Ah, höre ich da eine Spur von Zweifel?“ Und zwar war es so, dass Enbera meinte, dass Zweifel zu jenen Eindrücken gehörten, die ein Geist nach dem Tode seines Körpers zumeist verlor, doch war es eben-falls so, dass er selbst sich diese Fähigkeit in Teilen wieder angeeignet hatte, während er sich über viele Jahre hinweg in der einen oder ande-ren Form unter lebenden Wesen bewegt hatte. Darum hielt er dies auch bei anderen, die spukten, nicht für unmöglich.
    Zweifelnd wandten sich die schwachen Konturen des nebelhaften An tlitzes nach seinen scharfen Formen hin und ihm war, als läge das tote Mädchen den Kopf schief.
    „ Du sprachst davon, in einem anderen Leben wieder mit deinem Geliebten zusammensein zu können“, meinte er darum mit den stechen-den Überlegungen eines Magiers. „Darf ich dem entnehmen, dass du in einem neuen Körper wiedergeboren werden möchtest?“
    „ Das ist die einzige Hoffnung, die mir noch geblieben ist“, kam schwach und zögernd die Antwort. „Vielleicht werde ich vergehen, wenn ich genug gesühnt habe, und vielleicht werde ich dann erneut erscheinen auf dieser Welt; oder in einer anderen. Und vielleicht werde ich dann meinen Geliebten wiederfinden, damit wir glücklicher sein können, als wir es einstmals waren.“
    Der tote Magier ließ seine Gedanken kreisen und es fiel ihm schwer, dies so zu tun, dass seine Zuhörerin jene nicht gleich an ihm erkennen konnte. Dann aber, nach einer Weile, meinte er schließlich vorsichtig: „Ich weiß nicht, ob das so einfach geht, wie du es dir vorstellst. Wenn du vergangen bist, bist du erst einmal vergangen. Ob du dann je     wiederkehren kannst, weiß ich nicht. Viele glauben zwar daran, dass so etwas möglich ist, aber ich gehöre nicht zu jenen. Denn selbst, wenn sich die Formen deiner Selbst wieder neu zusammenfügen, so wärst du doch ohne Erinnerungen wieder ein neues Kind und würdest neue Erfahrungen machen und würdest dadurch zum Schluss ein neuer und anderer Mensch werden.“
    Und lange saß da die Nebelfrau unter leisem, ewigem Schluchzen, bis sie bestimmte: „Dann gibt es gar keine Hoffnung für mich. Dann kann ich nur noch für andere hoffen, dass ein Leben wie das meinige nie wieder gelebt wird.“
    Und wieder verstrich eine lange Zeit, ehe Enbera fragte: „Warum? Ich meine, warum hast du keine Hoffnung für dich selbst? Du bist doch noch da. Mir zumindest reicht das und das hat es in mancherlei Weise auch zu Lebzeiten getan, denn sonst wäre ich jetzt nicht hier.“
    Das Weinen der Gestalt verebbte und sie saß gänzlich stumm, bis sie endlich wisperte: „Ja. Ja und nein. Ich glaube, von dir ist immer noch mehr übrig als von mir. Deshalb kannst du mich nicht völlig verstehen. Das, was von meinem alten Ich übrig ist, das, was ich noch bin, sind die Gefühle, die ich für meinen toten Geliebten hatte und habe.“
    „ Und deine Gefühle gegenüber dir selbst? Und gegenüber den anderen, die an jenem Tag und in jener Nacht dabei waren?“
    „ Nur Hass. Nichts als Hass.“
    „ Ah“, machte der Magier. „Und warum“, so fragte Enbera weiter, „musst du dann diesen Hass nur gegen dich selbst richten, wenn du auch andere verurteilen könntest, die mindestens genauso viel Schuld haben wie du?“
    Der Geistermagier nämlich,

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