Weltkrieg der Waehrungen
der Welt, mit seinem Millionenheer von Billigarbeitern, würde künftig als gewaltige Preissenkungsmaschine fungieren.
Zwar trieben die dämonischen Dollars nicht die Konsumentenpreise in die Höhe, dennoch entfalteten sie auf Dauer eine verhängnisvolle Wirkung: Sie strömten in unterschiedlichste Vermögenswerte wie Aktien, Immobilien oder auch Kunst und blähten deren Notierungen auf. Das Paradebeispiel für diesen Prozess ist die Japan-Blase der Achtzigerjahre, auch »Heisei-Bubble« genannt. (»Heisei«, zu Deutsch »Frieden überall«, lautete das Regierungsmotto von Kaiser Akihito, in dessen Regentschaft die schlimmsten Ãbertreibungen fielen.) Kaum hatte Japan in den Achtzigerjahren seinen Finanzsektor für ausländische Firmen geöffnet und liberalisiert, schien das Land förmlich im Geld zu schwimmen. Gleichgültig, ob es sich um weltberühmte Wolkenkratzer handelte, um Van-Gogh-Bilder oder Golfclubs: Im In- wie im Ausland gab es nichts, was sich die Institute nicht leisten konnten.
Mit Billigung Washingtons war die japanische Währung über lange Zeit unterbewertet gewesen, und das hatte dem Land ein phänomenales Wachstum beschert. Als Folge dieses Devisen-Dopings schwollen die Währungsreserven immer weiter an. Die Korrektur der Wechselkurse, wie sie im Plaza-Abkommen von 1985 beschlossen wurde, konnte diesen Trend nur verlangsamen, nicht stoppen. Kurzfristig provozierte die von den G7-Staaten beschlossene Aufwertung des Yen sogar den weiteren Zustrom spekulativen Geldes nach Japan. In der Folge gingen die Preise für japanische Aktien und Immobilien in den späten Achtzigerjahren durch die Decke. Das Areal des kaiserlichen Gartens in der Tokioter Innenstadt war so viel wert wie sämtlicher Grund und Boden des einwohnerreichsten US-Bundesstaats Kalifornien. Japanische Aktien waren die teuersten der Welt. Schon kurz nachdem die staatliche Telefongesellschaft NTT im Februar 1987 privatisiert worden war, brachte sie es auf einen Börsenwert von über 50 Billionen Yen. 24 Das war mehr, als alle deutschen Aktiengesellschaften zusammen kosteten. An der Tokioter Börse notierten einige der am meisten überbewerteten Papiere aller Zeiten. Dienstleistungsfirmen wurden in den späten Achtzigerjahren mit dem 112-Fachen des Jahresgewinns gehandelt, Reedereien mit dem 176-Fachen und Fischereigesellschaften mit dem 319-Fachen. 25 Im Westen galt bereits ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 20 als ambitioniert. Dividenden wurden überhaupt nicht gezahlt, und wenn ausnahmsweise doch, dann waren sie mickrig. Zwischen 1985 und 1989 stieg der Leitindex um 237 Prozent â also um durchschnittlich 27,5 Prozent im Jahr. Zu dieser Zeit hatten sich die Gewinnaussichten der japanischen Firmen schon deutlich eingetrübt. Und dann war es, von heute auf morgen, vorbei mit dem Schlaraffenland. Mit dem ersten Handelstag des neuen Jahres 1990 begannen die Kurse zu bröckeln. Damit setzte keine Kurskorrektur ein, wie es in den zurückliegenden Jahrzehnten etliche andere gegeben hatte. Es war der Auftakt zu einer verlorenen Dekade, die allerdings nicht die letzte bleiben sollte.
Den Index-Höchststand von 38.915,89 Punkten haben die Anleger bis heute nicht wiedergesehen. Das folgende Jahrzehnt brachte einen der längsten Bärenmärkte der Geschichte. Gleiches galt für die japanische Volkswirtschaft, die nur noch ein Schatten ihrer selbst war und an ihre frühere Dynamik seither nie wieder heranreichen konnte. Anfänglich war nur von einer »verlorenen Dekade« die Rede. Doch die Schwäche der japanischen Börse dauerte über die Jahrtausendwende hinaus an, und auch der Aktienmarkt des Landes sollte sich nie wieder richtig erholen. Immer mehr wurde klar, dass irgendetwas dem Finanz- und Wirtschaftssystem Japans irreparablen Schaden zugefügt hatte. Dieses unheimliche Etwas waren die dämonischen Dollars. Zum ersten Mal hatten sie das volle Ausmaà ihres zerstörerischen Potenzials offenbart. Sie hatten eine Ãkonomie zuerst auf absurde Weise aufgebläht und dann, beim Platzen der Finanzblase, zerstört.
Greenback-Recycling
Nicht alles Geld blieb in den Ãberschussländern und entfaltete dort seine zerrüttende Wirkung. Ein Teil der Dollars floss in einer Art Recycling in die USA zurück und führte an den dortigen Kapitalmärkten zu Kursexzessen und Volatilität. Ein anderer Teil ergoss sich von
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