Weltraumpartisanen 17: Der Spiegelplanet
Oliva mit dem Mut der Verzweiflung entgegen und ließ sich aus dem Wagen gleiten.
Sie schluckte Wasser und schlug verzweifelt um sich.
„Mark, ich ertrinke! Mark!"
Das Polizeiboot war heran.
„Halte die Luft an. Sprich nichts mehr."
Ich legte einen Arm um Olivas Taille, füllte meine Lungen mit Luft und tauchte hinab auf den Grund des Flusses.
Die Strömung trieb mich gegen den Zaun. Ich stieß mich davon ab und tauchte - tiefer - mit der Gewißheit , daß , falls der Zaun bis ganz nach unten reichte, wir beide verloren waren.
Die Finger meiner linken Hand berührten den Grund. Ich überließ mich der Strömung.
Der Zaun sperrte lediglich die Oberfläche des Flusses. Ohne Oliva loszulassen, zwängte ich mich unter ihm hindurch und schwamm auf das Ufer zu.
Irgendwann tauchte ich auf, um Atem zu schöpfen.
Der Scheinwerfer beleuchtete den sinkenden Wagen. Die Polizisten fluchten.
„ Oliva !" sagte ich.
Oliva gab keine Antwort. Wir trieben mit der Strömung, und als der Fluß eine Biegung machte, schwamm ich hinein in ein Dickicht aus Schilf und zog sie an Land. Oliva atmete. Jenseits des Flusses ging die Sonne auf. Oliva öffnete die Augen, und als ich ihren Kopf anhob, sah sie zum ersten Mal in ihrem Leben den Wald.
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7.
Weiden und Birken säumten den Bachlauf, dem wir folgten; in ihrem Schutz waren Oliva und ich sicher vor dem Helikopter, der wie ein lästiges Insekt über den Wiesen kreiste. Nach einer Weile - ob nun die Polizisten uns in einer anderen Gegend vermuteten oder auf dem Grund des Flusses wähnten - verschwand er zum jenseitigen Flußufer , und damit waren wir ihn los. Fortan blieben wir unbehelligt.
Eine Stunde, nachdem wir unser Versteck im Schilf verlassen hatten, tauchten wir ein in das schattige Grün des Waldes.
Oliva benahm sich wie ein Kind im Märchenland. Sie, die bislang nichts anderes gekannt hatte als die Stadt, war buchstäblich überwältigt. Mit allen ihren Sinnen entdeckte sie die Natur.
Ihr dabei zuzusehen war mir genug Lohn für das Wagnis, das ich mit diesem Ausflug auf mich genommen hatte. Viele Jahre sind seit diesem Tag vergangen, doch die Erinnerung daran ist in mir lebendig geblieben, und oft genug entsinne ich mich der unauslöschlichen Bilder.
Oliva umarmt einen Baum. Der Stamm ist harzig. Oliva schmiegt ihre Wange an das Holz; sie berührt die rauhe Borke mit den Lippen. In ihren Augen stehen Tränen des Glücks.
„Mark ... Mark, wie heißt dieser Baum?"
„Sein Name ist Tanne", sage ich.
Olivas Hände liebkosen den Stamm.
„Tanne", wiederholt Oliva . „Ich liebe dich, Tanne. Du bist schön. Ich möchte dich festhalten und nie, nie wieder loslassen."
Ich bücke mich und reiche Oliva einen Tannenzapfen.
„Und das", sage ich, „sind ihre Kinder."
Oliva bestaunt den Tannenzapfen.
„Darf... darf ich ihn mitnehmen, Mark?" fragt sie.
„Natürlich darfst du", antworte ich. „Den und noch tausend andere."
Oliva verwahrt den Tannenzapfen unter dem Hemd, an der nackten Haut.
Wir haben uns im Moos gelagert, auf einer besonnten Lichtung. Das Moos ist warm und weich, die Luft mild und würzig. Über der Lichtung kreist ein bunter Falter. Oliva streckt ihm die Hand entgegen.
„Vorsicht!" warne ich. „Du verscheuchst ihn." Oliva lacht.
„Ich will ihm doch nur guten Tag sagen. Ich glaube, er versteht das."
Das Wunder geschieht: Der Falter läßt sich auf Olivas Hand nieder. Dort sitzt er nun, unbeweglich, mit ausgebreiteten Schwingen.
Oliva wagt nicht, sich zu rühren.
Olivas Blick ist voller Zärtlichkeit.
„Mark, haben Sie je etwas so Wunderschönes gesehen?" Ich weiß nicht, was ich ihr darauf antworten soll. Die Wälder und Felder sind voller Falter. Für Oliva ist dies der erste, den sie sieht. Ich sage:
„Es ist wirklich ein wunderschöner Falter."
Der Falter löst sich von Olivas Hand und schwebt lautlos davon.
Oliva winkt ihm hinterher - und gleich darauf liegt sie aufschluchzend vor Glück und Seligkeit in meinen Armen, und ihre
Lippen berühren die meinen.
„Mark, ich danke dir. Ich danke dir."
Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Oliva ist fast noch ein Kind. Ich bin ein Mann. Ich bin ein Fremder. Behutsam löse ich mich aus ihrer Umklammerung, aber fortan bin auch ich verzaubert.
Ich habe nur noch Augen für Oliva .
Ich vergesse mein Heimweh. Bin ich doch kein Fremder?
Wir stehen vor einem Weiher. Das Wasser ist still und friedlich. Auf dem Blatt einer Seerose sitzt ein dicker Frosch mit bernsteinfarbenen
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