Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage
seinem flachen Diplomatenkoffer.
»Wir sind unter uns, Mr. Harris, und das erlaubt uns eine offene Sprache. Es liegt nicht in unserer Absicht, den VOR einen Gefallen zu erweisen. Falls also diese Operation fehlschlägt, wird die Welt nicht zugrundegehen. Die Asiaten sind fruchtbar.« Dr. Mildrich neigte ein wenig den Kopf. »Meine Herren, ich werde im Amt erwartet. Bemühen Sie sich nicht. Ich finde den Weg. Guten Tag.« Harris wartete stumm, bis sich hinter dem Staatssekretär die gepolsterte Tür geschlossen hatte, dann sagte er: »Ein reizender Mensch. Nun, Commander, ich danke Ihnen, daß Sie mir Ihre Zeit geopfert haben. Es besteht kein Grund mehr, Sie länger zu behelligen.«
Zum ersten Mal, seitdem ich Harris kannte, erlebte ich es, daß er sich mit einer Niederlage abfand. Die VEGA mit all ihren Projekten und Forschungsstätten, mit allen ihren Niederlassungen im Raum als auch auf Venus und Uranus – die VEGA unter der Kontrolle ehrgeiziger Militärs: die Vorstellung schien ihn wie ein Schlag getroffen und gelähmt zu haben. Ich zögerte den Abschied hinaus. Harris, dieser kühle, nüchterne, grundehrliche Mann, war immer mein Vorbild gewesen. Stets hatte ich seine Tatkraft, seine Treue und seinen unbeugsamen Sinn für Gerechtigkeit bewundert – wie auch die tiefe Menschlichkeit, die hinter seiner spröden Schale steckte.
»Sir«, sagte ich, »Dr. Mildrich ist letztlich nur ein kleiner Knecht.«
Harris' Handwedeln war müde.
»Dr. Mildrich ist die Stimme seines Herrn«, gab er zurück. »Falls Kohn-Felsenstein in der Tat bei der nächsten Wahl Präsident wird, wie er es seit Jahren anstrebt, ist es um die VEGA geschehen. Aber das sind Probleme, mit denen man sich im Urlaub nicht belasten sollte. Kümmern Sie sich um Ihre Frau.«
6.
Nachdem ich Jackson, den Sicherheitsbeauftragten der VEGA verständigt hatte, er möge den Unfallbericht zu den Akten legen, ohne die Angelegenheit weiter zu verfolgen, fuhr ich hoch zum Flugdeck, wo meine private Moskito abgestellt war.
Oben wurde die VOR-Abordnung von der vereinigten Pressemeute bedrängt. Als ich den Lift verließ, fiel ein Teil der Reporter über mich her. Die Fragen prasselten. »Commander, was wird unternommen werden?«
Ich wich aus ins Unverbindliche.
»Sie erhalten in wenigen Minuten das amtliche Kommunique. Darin werden alle Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet.«
»Haben Sie den Auftrag angenommen?«
»Ich war nur als Berater anwesend.«
Blitzlichter, Kameras, Mikrofone: Es war das reinste Spießrutenlaufen. Und dennoch, so spürte ich, steckte hinter diesem Aufgebot mehr als nur professionelle Wißbegier. Der Fall der Han Wu Ti begann die Öffentlichkeit zu erregen. Dr. Mildrich irrte, wenn er diese hartgesottenen Reporter als Kläffer abtat. Im Augenblick verkörperte sich in ihnen das mitfühlende Gewissen von drei großen Kontinenten. Sie wollten kein amtliches Kommunique, keine gedrechselten Phrasen, keine unverbindlichen Floskeln. Sie wollten ein klares JA. Sie wollten die menschliche Entscheidung, die erlösende Tat.
Ich zwängte mich in die Moskito, startete und hob ab. Selten hatte ich mich erbärmlicher gefühlt. Das Schicksal der Han Wu Ti war besiegelt. Die Funk-Leit-Operation blieb nichts als ein Alibi. Man hielt die Angehörigen hin, wiegte sie in unberechtigter Hoffnung, statt ihnen ins Gesicht zu sagen, daß sie ihre Wallfahrt zur VEGA umsonst unternommen hatten; statt ihnen im gespreizten Beamtenmetro eines Dr. Mildrich die unbarmherzige Wahrheit einzugestehen, daß ihre Männer, Frauen, Väter, Töchter und Söhne keinen hinreichenden Gegenwert darstellten für gutes EAAU-Geld. Und daß Harris, der große alte Mann der VEGA, aus politischen Gründen das Handtuch warf.
Und wie war es um mich bestellt? Auch ich war dem Kampf aus dem Wege gegangen. Ich hatte an Ruth gedacht, an den verpatzten Urlaub – und nicht zuletzt daran, mich mit dem Staatssekretär nicht zu überwerfen, von dem es unter der Hand hieß, daß er im Falle einer Neugliederung der VEGA Harris' Nachfolge anstrebte: ein Bürokrat auf dem Sessel eines gestandenen Astronauten. Nein, ich hatte nicht das Recht, Harris etwas vorzuwerfen.
Ruth streckte eine weiße, kraftlose Hand nach mir aus.
»Mark! Endlich.«
Ich setzte mich zu ihr aufs Bett.
»Hast du noch Schmerzen?«
»Nicht mehr.« Über ihr erschöpftes Gesicht huschte ein Lächeln. »Aber du siehst aus, als sollte man dich in die Waschmaschine stecken. Wie ist das überhaupt passiert? »
Ich
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