Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage
strich ihr das verschwitzte Haar aus dem Gesicht, das sie behinderte.
»Ein VOR-Pilot hat Mist gebaut. Dabei hat's geknallt.«
Ruth schwieg. Nach einer Weile fragte sie: »Und was ist mit ihm?«
»Er ist wohlauf, sagte ich, »er und alle seine Leute. Nur uns hat's erwischt.«
Ruth schloß ermattet die Augen.
»Ein VOR-Schiff … wieso? Erzähl mir das morgen. Ich werde jetzt träumen … Ich werde jetzt träumen: Du und ich sind unterwegs, und…«
Mitten im Satz schlief sie ein.
Ich flog nach Hause, riß mir die versengte, stinkende Kombination vom Leib und stopfte sie in den Müllschlucker. Danach stellte ich mich unter die Dusche.
Ein milder Maiabend brach an.
Eine Weile stand ich auf dem Balkon, eingehüllt in das silbrige Seidenlicht der Sterne, unter dem ich, wenn ich all meine Reisen zusammenrechnete, die meiste Zeit meines Lebens zugebracht hatte – doch die Unruhe, die ihr Anblick sonst immer in mir wachzurufen pflegte, diese Sehnsucht, an der Ruth O'Hara, meine Frau, so schwer zu tragen hatte, stellte sich diesmal nicht ein. Zum ersten Mal stieß der Ruf der Sterne bei mir auf taube Ohren. Zu viel Einsamkeit lag bereits hinter mir, zu viel Weite, zu viel Leere …
Irgendwann hob ich das Glas und ließ es sofort wieder sinken.
Es war zu weit.
Es war so weit, daß mich schauderte.
Ein winziges Element der Elektronik hatte versagt – und schon war es geschehen gewesen. Und nun saß die Han Wu Ti dort oben fest und schraubte sich in einer imaginären Spirale dem Neptun entgegen, um irgendwann auf seiner Oberfläche zu zerschellen.
Ich rief noch einmal in der Klinik an. Ruth schlief.
Ich setzte mich vor die TV-Wand und sah mir die Spätnachrichten an.
Wenn man die Welt nach diesen Nachrichten beurteilen wollte, war sie nicht viel wert, oder aber die ganze Menschheit war vom Tollwutbazillus befallen.
Über die Han Wu Ti wurde ganz zum Schluß berichtet. Die Dokumentation war angereichert mit den Fotografien der an Bord Eingeschlossenen. Besonders lange verweilte die Kamera auf dem Foto der fünfjährigen Tschang Li – ein anmutiges Kindergesicht mit großen mandelförmigen Augen.
Die gewohnte weibliche Stimme kommentierte: »Unter den in Metropolis eingetroffenen Angehörigen befindet sich auch die Mutter dieses Mädchens. Frau Li ist die Ehefrau eines Monteurs, der auf dem Kunstplaneten Himmlisches Peking einen Dreijahresvertrag erfüllt. Tschang Li hatte ihm einen Besuch abgestattet.
Eine Männerstimme verlas das amtliche Kommunique. Es war knapp und dürr und gab lediglich bekannt, daß die VEGA in Zusammenarbeit mit den zuständigen Regierungsstellen mit der Ausarbeitung eines Bergungsplanes unter Benutzung der Uranus-Leitstrecke begonnen hätte.
Ich schaltete das Gerät ab und wählte die Nummer von Captain Romen, der als Pilot zu meiner regulären Kronos -Crew gehörte. Auf dem Bildschirm tauchte sein Standfoto auf mit der monoton vorgetragenen Auskunft: Der Teilnehmer sei bis auf weiteres nicht zu erreichen.
Auch Captain Romen war längst im Urlaub – wie meine gesamte Kronos -Crew. Es war zu erwarten gewesen. Im übrigen hätte auch ein Gespräch mit meinem Piloten nichts bewirkt. Die Kronos befand sich in der Werft und stand nicht zur Verfügung.
Wenn überhaupt – dann würde die Explorator starten: mit Busch als Commander.
Mit anderen Worten: Die Han Wu Ti ging mich nichts an.
7.
Nachts schlug das Visiofon an. Ich wälzte mich aus dem Bett und drückte die Taste. Auf dem Bildschirm erschien das übernächtigte Gesicht des VEGA-Direktors.
»Es ist so weit, Brandis. In einer Stunde werden wir Gewißheit haben. Ich könnte mir vorstellen, daß Sie dabei sein möchten.«
Ich sah auf die Uhr.
Es war drei Uhr in der Nacht, und Harris setzte zu viel voraus. Für das Lotsen-Manöver wurde meine Anwesenheit nicht benötigt. Etwas anderes mußte hinter diesem Anruf stecken. Harris wollte mich an seiner Seite haben. Ich schüttelte den Schlaf ab.
»Geben Sie mir eine halbe Stunde Zeit, Sir.«
»Danke, Brandis.«
Zehn Minuten später saß ich hinter dem Steuer meiner Moskito und schaltete die Düsen auf Alarmflug.
Harris war nicht in seinem Büro, aber durch das Audiofon, das bei meinem Eintreten automatisch anlief, ließ er mich wissen, wo ich ihn zu suchen hatte.
Mit dem Aufzug fuhr ich wieder hinab zum Erdgeschoß und ließ mich vom sanft rüttelnden Laufband bis zur Abteilung Astro-Technik im linken Seitenflügel tragen.
Ein Dutzend Techniker war damit beschäftigt,
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