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Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Titel: Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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laufenden Triebwerks und entfernte sich. Nach ein paar Sekunden war es außer Hörweite.
    Für Captain Romen stand es fest, daß die Stunde der Entscheidung angebrochen war; und als bald nach dem Dingi-Start der Riegel klirrte, war er auf das Schlimmste gefaßt.
    Und das war die dritte Tatsache. Man hatte es nicht mit normalen, zivilisierten Menschen zu tun, sondern mit einer pervertierten und obendrein betrunkenen Horde unter der Anführung eines krankhaften Gehirns. Man konnte auf alles zählen – nur nicht auf Gnade.
    Captain Romen stand auf, und die Männer einschließlich der Fulgor -Piloten folgten seinem Beispiel. Das grelle Licht dieses unheilvollen dritten Jahrestages des Titan-Gefechts fand sie, als es über die Schwelle fiel, für ihren letzen Gang bereit.
    Der volltrunkene Tibetaner ließ sein weibisches Kichern vernehmen, während Fiorentino über den Lauf seiner Bell hinweg durch eine Schnapswolke sagte: »Es ist soweit.«
    Die Erfahrung hatte die Männer gelehrt, wo die Grenzen ihres Widerstandes verliefen, und so hielten sie sich diesmal zurück: sehr zu Captain Romens Beruhigung. Der chromköpfige Erste Steuermann und der stiernackige Chief Agent gaben sich keine Blöße. In ihrem trunkenen Zustand waren sie gefährlicher denn je.
    Bis auf sie war das Schiff leer. Der Weg zur Brücke führte vorüber an leeren, verlassenen Stationen. Die Tür zum ehemaligen Hospital stand auf, und man konnte die Spuren der Orgie sehen, die darin gefeiert worden war. Es sah schlimmer aus als in einem Schweinestall – und genauso roch es. Es roch nach schalem Bier, billigem Fusel und kaltem Zigarettenrauch. Und es roch, säuerlich und übelkeiterregend, nach Erbrochenem.
    Wohin die Besatzung der Vendetta unterwegs war, verriet ein Blick aus dem Fenster. Mitten in der gläsernen Einöde des Raumes stand die Vendetta auf der Stelle – keine hundert Kabellängen von der schmutziggrauen Oberfläche des unförmigen Klumpens entfernt, der den Namen Serpens trägt.
    Ahmed Khan war unter den Sternen ein alter Hase. Er wußte, weshalb er die Vendetta nicht aufsetzte. Auf eine solche Landung wäre kein neuerlicher Start mehr gefolgt. Man mußte nicht erst im Handbuch nachschlagen, weshalb. Man sah es auch so. 
    Serpens war alles andere als ein schöner Anblick. Er war eine trostlose Ansammlung toter Materie mit ungewisser Vergangenheit. Einiges sprach dafür, daß es ihn auf seine aktuelle Umlaufbahn aus einer anderen, unbekannten Galaxis verschlagen hatte. Über Serpens hinweg ritt auf unregelmäßigem Feuerstrahl das Dingi, wirbelte den Staub auf und hielt Ausschau nach einem halbwegs festen Geländestück, auf dem es sich landen ließ, ohne im grauen, trockenen Sumpf zu versinken. Manchmal vollführte das Dingi ungelenke Sprünge; manchmal schien es zu torkeln; einmal zog es so dicht über die Oberfläche dahin, daß es in einer Staubexplosion verschwand. Am stotternden Triebwerk allein konnte das nicht liegen. Wahrscheinlicher war, daß es in seinem Inneren keine nüchterne Seele mehr gab.
    Captain Romen verspürte ein würgendes Gefühl im Hals, denn auf einmal war ihm klar, welche Absicht sich mit all diesen Vorbereitungen verband. Während der Besiedelung der Venus, in der wilden Pionierzeit, war es erfunden worden. Man nannte es Blubble. Es kam darauf an, wer schneller war: der Schütze, der sein Opfer anvisierte, oder der Staub, in dem dies, sobald es den geringsten Fluchtversuch unternahm, unrettbar versank. Die Wetten, die beim Blubble abgeschlossen wurden, waren oft von astronomischer Höhe. 
    Der pulsierende Lauf der Bell preßte sich Captain Romen zwischen die Rippen. Fiorentino trieb ihn an: »Avanti! Weitergehen, weitergehen! Avanti!«
    Avanti, vorwärts, dawai, arribba, allez: kein Geschichtsbuch nennt die Zahl der Menschen, die, von diesem Zuruf getrieben, ihren letzten Gang antraten. Zivilisationen stiegen auf und versanken, Herrschafts- und Gesellschaftsformen veränderten sich, Sprachen wandelten sich – die Bedeutung dieses Zurufs blieb unverändert.
    Captain Romen straffte sich, warf den Kopf in den Nacken und ging weiter. Er ging an der Stradivari vorüber, ohne noch einmal zu stocken.
    Auch auf der Brücke der Vendetta hatte das Gelage Spuren hinterlassen. Geleerte Flaschen und zerschlagene Gläser deuteten darauf hin, daß Fiorentino und Wang Fu ihrem Kommandanten zugeprostet hatten. Wie mochte es ihm, diesem Gefangenen von Draht und Kabel, dabei zumute gewesen sein? Seit drei Jahren schon lebte

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