Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange
Jedesmal ging es darum, ein astronomisches Besteck zu nehmen und den anliegenden Kurs zu überprüfen: Tätigkeiten, zu denen der chromköpfige Erste Steuermann nicht in der Lage war. Bislang war er diesbezüglich wohl auch nicht gefordert gewesen, denn das Spinnengewebe hatte perfekt gearbeitet. Nun bedurfte es einer gründlichen Überholung im Stützpunkt. Als Lieutenant Kardorff zum vorletzten Mal in die Zelle zurückkehrte, wußte er zu berichten, daß die Ansteuerung von Serpens offenbar in einem Zusammenhang stand mit dem dritten Jahrestag des Titan-Gefechts. Der Alkoholspind war auf Geheiß des Kommandanten geöffnet worden – und dementsprechend war die Stimmung an Bord und der Zustand der Besatzung.
Lieutenant Kardorff drückte das drastisch aus.
»Die Brüder saufen wie die Löcher, benehmen sich wie die Schweine und sind voll wie ein mongolischer Reiterfürst.«
Im übrigen gab er seinem Bedauern Ausdruck, daß es ihm bisher nicht gelungen war, Ahmed Khan bei der Bestimmung des Kurses hinters Licht zu führen. Der Navigationsrechner war nach wie vor in Betrieb, und die Spinne ließ es sich nicht nehmen, die gemessenen Werte auf ihre Wahrscheinlichkeit hin zu überprüfen: ein Umstand, aus dem hervorging, daß Ahmed Khan in seinen gesunden Jahren allen Ernstes das fliegerische VOR-As unter den Sternen gewesen war, als das ihn die Geschichtsschreiber gerne bezeichneten.
»Ich kann mir nicht helfen«, sagte Lieutenant Kardorff, »neben ihm komme ich mir wie ein Anfänger vor. Was ihn handicapt, ist einzig und allein seine Unbeweglichkeit.«
Ein paar Stunden darauf wurde er noch einmal auf die Brücke geholt, und als er eine Weile später zurückkehrte, machte er aus dem Umstand, daß er sich ängstigte, keinen Hehl mehr. Die Vorbereitungen, auf die er gestoßen war, mißfielen ihm. Vor allem sorgte er sich um die beiden Fulgor -Piloten.
»Ich weiß nicht, was man mit ihnen vorhat«, vertraute er Captain Romen an, »aber ich fürchte, daß es eine Teufelei ist, Sir.«
Er berichtete auch, daß sich das Gelage über das ganze Schiff einschließlich der Brücke erstreckte. Aus der Tatsache, daß Ahmed Khan die Männer gewähren ließ, müsse man den Schluß ziehen, sagte er, daß der Vendetta offenbar weit und breit keine Gefahr drohte. Der Asteroid Serpens war in der Tat ein völlig uninteressanter Himmelskörper, um den sogar die sonst stets wachsamen Raumpatrouillen der Strategischen Raumflotte einen Bogen schlugen. Captain Romen entsann sich der abrupten Schiffsbewegungen in den letzten Tagen. Offenbar war es Ahmed Khan darum gegangen, sich zu überzeugen, daß niemand ihm folgte. Es gab keinen Grund, Lieutenant Kardorffs Schlußfolgerung anzuzweifeln.
Captain Romen steckte die Mundharmonika, die er irgendwann zur Hand genommen hatte, wieder ein. Eine Weile hatte sie mitgeholfen, den Männern in der Gefangenschaft den Rücken zu stärken – aber letzten Endes hatte sie auch dazu beigetragen, die Fulgor -Piloten anzustacheln. Von nun an benötigte man einen kühlen Kopf.
Lieutenant Kardorff hatte von einer bevorstehenden Teufelei gesprochen. Der Umstand, daß die Vendetta kurz nach seiner Rückkehr mit schrill pfeifenden Bremsdüsen beidrehte, mochte damit in Zusammenhang stehen, vor allem, da das Gröhlen und Lärmen plötzlich anschwoll.
Was geschah, ließ sich nur vermuten, aber etwas Gutes konnte es nicht sein. Captain Romen machte sich nichts vor. Man hatte es mit Tatsachen zu tun, mit denen man so oder so fertig werden mußte, und man tat gut daran, ihnen beizeiten ins Auge zu sehen. Als erste dieser Tatsachen mußte man vermerken, daß die Piraten sich, wie Piersanti mit begründeter Bitterkeit kundtat, »zunächst einmal in Stimmung soffen.«
Und als eine zweite Tatsache mußte man es erachten, daß ein Bootsmanöver bevorstand.
Im unteren Halbdeck wurde das Dingi klargemacht. Das zischende Geräusch der sich zum Zwecke der Überprüfung öffnenden und wieder schließenden Landeklappe war ein untrüglicher Hinweis. Einmal, als es auf dem Landedeck Streit gab, fuhr Ahmed Khans Stimme dazwischen und sorgte für Ordnung. Ein paar Minuten lang herrschte Ruhe, dann setzte auf einmal lautes, trunkenes Gelächter ein, und man vernahm das Klirren von Gläsern. Eine Viertelstunde später begann die Landeklappe erneut zu zischen – diesmal für den Start des Dingis, der sich mit dumpfen Röhren ankündigte. Das Dingi legte ab, und das Röhren ging über in das Stakkato eines unsauber
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