Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Titel: Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
Vom Netzwerk:
dahinter?«
    »Hassan ben Mufti erwähnte einen Namen, bevor er starb. Er sagte: Ahmed Khan. Vielleicht wollte er sich nur lustig machen.«
    Ich spürte ein kaltes Prickeln. 
    »Und meine Leute, McKim, Captain Romen und seine Lieutenants?«
    Hua McKim verabreichte mir den Rest der bitteren Medizin.
    »Keine Spur von ihnen, Commander. An Bord waren sie jedenfalls nicht. Ob nun Ahmed Khan oder ein anderer – die von der Strategischen Raumflotte sind der Ansicht, daß wir's zu tun haben mit einem handfesten Piratenstück …«
    In diesem Sinn sprach Hua McKim noch eine Weile weiter: Verdächtigungen, Vermutungen, Spekulationen. Letztlich lief alles darauf hinaus, daß man ohne jeden Anhaltspunkt dastand. Das Absuchen des Plejaden-Kurses war sinnlos geworden. Niemandem war damit gedient, daß ich die Henri Dunant weiter in einen leeren Raum hineinführte, in dem der absolute Mangel an Grenzen der Wahrnehmung die Sinne verwirrte und sich wie Mehltau auf das Gemüt legte.
    Ich hatte mein Bestes getan, doch das Schicksal hatte mir nicht die Hand gereicht. Ich war müde, ich war bitter, ich war enttäuscht. Nachdem ich die Suche abgebrochen hatte, übergab ich die Schiffsführung an Captess Kato und wies sie an, sich mit dem RC zu verständigen und sodann die Henri Dunant auf Las Lunas-Kurs zu legen.
    Die Stimmung der Besatzung, die ich mittlerweile informiert hatte, war gedrückt. Die Männer machten betroffene Gesichter. Sie hatten ihre Kameraden verloren: Kameraden, die gleich ihnen eine aufopferungsvolle Arbeit im Dienst einer gesicherten Raumschiffahrt versahen. Eines nicht allzu fernen Tages mochten sie selbst an der Reihe sein, falls das Piratenwesen erneut um sich griff. Der Kaffee, den ich in der Messe zu mir nahm, vermochte mich nicht zu beleben, die tödliche Müdigkeit nistete tief. Sie machte es mir leicht, mich gegen jede Form der Erinnerung zu sperren –: an Captain Romen, den ich seit den unseligen Kolibri -Experimenten auf Espiritu Santu im Jahre 2074 kannte; an den indianerblütigen Lieutenant Torrente, dessen Mut und Tatkraft ich auf Pilgrim 2000 zu schätzen begonnen hatte; an Lieutenant Kardorff mit den dicken Brillengläsern, der mich als Navigator durch die Triton-Passage zur Han Wu Ti gelotst hatte; und an die anderen drei Lieutenants, die der UGzRR ihre Treue geschenkt hatten. 
    Als Lieutenant Levy eintrat, blickte ich auf.
    »Kaffee?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Danke, nein, Sir. Sir, ich möchte nicht aufdringlich sein …«
    Ich wußte sofort worum es ging. Mein Versäumnis mochte entschuldbar sein, aber es war und blieb ein Versäumnis. Was die Bürde eines Commanders ausmacht, ist, daß er nicht eine Sekunde frei ist von der Verantwortung. Über meinem Gespräch mit der Raumnotwache, dem Abbrechen der Suchaktion und dem Kaffeetrinken hatte ich den alten Mann in der Reservekammer total vergessen. Ich stellte den Becher ab und machte mich auf den Weg.
    Neben der Koje stand der Abfalleimer. Darin türmten sich die Neutralin-Ampullen. Für eine Weile mochten sie ihm Linderung verschafft haben, dann hatten sie das Ende nur noch in die Länge gezogen. Und nun war es soweit. Auf seinem Gesicht lag schon der Schatten des Jenseits. Der alte Mann bewegte die Lippen. Falls ich ihm Unrecht getan hatte, war dies der Augenblick, um das ins Reine zu bringen. Guru, Professor oder Scharlatan – auf einmal war das nicht mehr wichtig. Er war einfach ein alter, kranker Mann, der sich unter Qualen anschickte, diese Welt zu verlassen.
    Seine Augen gaben mir zu verstehen, was er wollte. Ich beugte mich über ihn. Was er sagte, war kaum zu verstehen. Die Stimmbänder machten nicht mehr mit. 
    »Wo ist die Zeit, wenn die Uhr stehenbleibt? Und wo bleibt der Raum, wenn das Fleisch Geist wird?«
    Er phantasierte. Und jedes Wort, das er sprach, schnitt ihm wie ein Dolch durch die Brust.
    »Um Himmels willen, Professor«, sagte ich, »seien Sie still!«
    Als jedoch seine Augen mich erneut riefen, gehorchte ich und beugte mich noch tiefer über sein Sterbelager, bis mich sein Atem berührte.
    »Ja, Ehrwürden«, sagte ich, »was kann ich für Sie tun?«
    Er wollte es mir sagen. Sein Geist war noch willig, aber das zerstörte Fleisch gab auf. Ein letztes Mal bewegte er die Lippen, bevor er auf ewig verstummte: »Sir …«

13.
Grischa Romen, Captain (VEGA),
Commander Raumrettungskreuzer Florence Nightingale
Aufgezeichnet nach persönlichem Bericht
    Lieutenant Kardorff wurde noch ein zweites und ein drittes Mal geholt.

Weitere Kostenlose Bücher