Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor
Ich aß stumm. Obwohl ich an diesem Tag noch nichts zu mir genommen hatte, fehlte mir der Appetit. Die Niedergeschlagenheit war allgemein.
Busch stellte plötzlich den Teller ab.
„Wir sollten uns nichts vormachen!" sagte er. „Wir sind ins Loch gefallen, und aus dem führt kein Weg mehr hinaus. Je früher wir Schluß machen, desto besser!"
„Schluß machen!" sagte auch Owen Sheriff „Aber erst ein paar Takte Musik, bis wir alle high sind. Etwa so ... Er schnalzte mit dem Finger und legte los : , fleibubabuba-Bubi -"
Weiter kam er zum Glück nicht, denn Brandis kehrte plötzlich den Commander hervor und sagte mit einer ruhigen Stimme, die den Gedanken an Widerspruch gar nicht erst aufkommen ließ:
„Genug! Noch eine solche Bemerkung - und der, der sie macht, wandert in den Arrest! Die Henri Dunant ist kein Tollhaus."
Dem Popsänger blieb der hohe Ton im Halse stecken. Er verschluckte sich daran und begann zu würgen. Busch rührte keine Hand, um ihm den Rücken zu klopfen.
Brandis sagte, etwas versöhnlicher: „Wir kehren heim! Wann und wie, weiß ich noch nicht, aber vielleicht sind wir schon morgen abend klüger. Sobald es hell wird, kümmere ich mich um das andere Schiff."
Vielleicht hätte ich bei diesen Worten neue Hoffnung geschöpft -Brandis verfügte über die Gabe, seinen beharrlichen Mut auf andere zu übertragen -, wäre in diesem Augenblick nicht etwas geschehen, was mir die Haare zu Berge trieb.
Ich fühlte mich beobachtet.
Das Gefühl ist jedem bekannt: das Gefühl, daß einem ein Paar Augen in den Nacken sticht. Man kann nicht anders - man muß sich umdrehen.
Ich wandte mich um. Hinter mir stand die stockdunkle Nacht. Nichts war zu sehen, nichts zu hören. Ich nahm ein brennendes Scheit aus dem Feuer und hielt es hoch.
„Ist dort was?" fragte Dr. Hudson.
„Ich bin mir nicht sicher", erwiderte ich.
So war es. Ich war mir dessen, was ich sah, nicht sicher. Nun, da ich die Dunkelheit ausleuchtete, war sie leer - aber kurz zuvor, in jenem Bruchteil einer Sekunde, als ich die Flamme bewegt, hatte ich etwas wahrgenommen. Der kalte Schauer, der mich dabei überrieselte, war noch spürbar.
Es war kein Mensch gewesen - soviel stand fest. Menschen bewegten sich anders. Was ich zu sehen glaubte, war ebenso groß wie unförmig gewesen. Die Vorstellung, die es in mir ausgelöst hatte, war die einer schwarzen Tonne gewesen.
Eine schwarze Tonne auf langen dünnen Beinen. Allein daran zu denken machte mich schaudern.
„Ich sehe nichts", sagte Dr. Hudson.
Wahrscheinlich hatte ich mich geirrt. Ich warf das Holzscheit zurück, und als Brandis uns alle zur Nachtruhe an Bord beorderte, machte ich mich an den mühsamen Aufstieg.
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10.
19.11.2084
Das Datum kennzeichnet einen Tag, der mittlerweile als Meilenstein der Wissenschaft gilt.
An Bord der Henri Dunant begann er mit dem üblichen freudlosen Grau, über dem sich kein Himmel wölbte, Sobald man etwas sehen konnte, brachen wir auf, ohne zu frühstücken. Brandis drängte zur Eile. Noch immer mangelte es uns an Informationen, um einen Plan zu entwickeln, mit dem sich unsere Lage meistern ließ. Wir benötigten dringend handfeste Anhaltspunkte.
Die Taktik dieses Tages war neuartig. Um möglichst rasch möglichst viele Erkundungen vorzunehmen, teilten wir uns auf in Zweiergruppen. Über die Zusammensetzung entschied das Los. Ich ging mit Brandis.
Brandis zögerte.
„Ich kann auch allein gehen, Martin! Sie sind gewissermaßen nur Passagier."
Ich hörte die gedämpften Stimmen von Captess Kato und Dr. Hudson. Die beiden waren damit beschäftigt, voneinander Abschied zu nehmen. Captess Kato ging mit de Vries. Dr. Hudson tat, als handelte es sich um einen Abschied für immer. Hatte er wirklich so unrecht ? Was wußten wir von dem, was uns erwartete! Ich fragte mich, ob unter anderen Bedingungen aus unserer zerbrechlich wirkenden Japanerin und dem kräftigen Kalifornier auch so rasch ein Paar geworden wäre. Unter normalen Bedingungen stolpert man auf Schritt und Tritt über störende Konventionen. Höherenorts - sowohl in den VOR als auch bei uns - war man über Romanzen dieser Art nicht eben entzückt. Sie sorgten für bürokratische Komplikationen.
Ich riß mich von dem Anblick los und drehte mich um. „Ich werde nicht zurückstehen, Mark. Sie werden sich auf mich verlassen können."
Brandis warf mir einen prüfenden Blick zu, nickte und machte sich an das Abseilen. Ich folgte ihm.
Wir waren die ersten, die an diesem Morgen das
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