Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor
Schiff verließen. Unser Ziel war jenes fremde Schiff in italienischer Bauweise, das
Commander Busch und seine Männer nur flüchtig und auch das nur auf große Entfernung hin gesehen hatten.
Die Morgenbrise bombardierte uns mit Altpapier und zerrte an den ausgespannten Netzen, die naß waren vom Tau der Nacht.
Wir ließen die Müllkippe hinter uns, umgingen das Industriegelände und schlugen die Richtung ein, die man uns beschrieben hatte.
Wir kamen nur langsam voran. Der vorige Tag saß uns noch in den Knochen. Auf die Dauer war selbst der kniffigste Organismus der Zusätzlichen Gravitation nicht gewachsen, jeder Schritt, den man tat, kostete Überwindung. Die Füße schienen am Boden jedesmal wie festgeklebt zu sein. Hatten die ursprünglichen Bewohner dieses vermaledeiten Kompaktplaneten unter den gleichen Schwierigkeiten gelitten? Wahrscheinlich nicht. Sie waren unter den hier vorherrschenden Bedingungen aufgewachsen. Wir hatten mit ihnen allenfalls den Faktor gemein. Davon abgesehen, waren wir Fremde.
Die Gegend war nicht dazu angetan, uns aufzumuntern. Die nahe Stadt hatte ihr ihren schmutzigen Stempel aufgedrückt. Es gab faulige Kläranlagen, versumpfte Kiesgruben und stinkende Abfallhalden. Hier und da waren die gleichen fischnetzartigen Gespinste zu sehen wie dort, wo wir die Henri Dunant zurückgelassen hatten. Was hatten sie zu bedeuten? Ich fand dafür keine Erklärung.
Am Rande einer sandigen Wegstrecke blieb Brandis stehen und betrachtete die Spuren, die irgendein großes Tier darauf hinterlassen hatte.
„Wofür halten Sie das, Martin?"
Die Abdrücke, die das Tier im Sand hinterlassen hatte, waren gut zu sehen. Ich studierte sie, aber das machte mich nicht klüger - wohl, weil ich nie bei den Pfadfindern gewesen und darum in der Kunst des Spuren- und Fährtenlesens nicht bewandert war.
„Ein Hund?"
Brandis wiegte den Kopf.
„Ein Hund ist nicht so schwer."
„Ein Elefant?"
Brandis blickte nachdenklich. „Mit acht Beinen?"
Ich hatte versäumt, die Abdrücke zu zählen. Vier Beinpaare waren nötig gewesen, um sie zu hinterlassen. Ich erinnerte mich meines Schrecks am Lagerfeuer. Hatte ich mich vielleicht doch nicht getäuscht?
Brandis setzte sich wieder in Bewegung, doch fortan war er - auch wenn er kein Wort davon erwähnte - auf der Hut. Er achtete darauf, daß ich nicht über Gebühr zurückblieb und überprüfte sorgfältig jenes neue Geländestück.
Irgendwann hielt ich das entstandene Schweigen nicht aus. Das graue Licht lastete auf meinem Gemüt. Das Fehlen eines Himmels zerrte an meinen Nerven.
„Mark", sprach ich ihn an, „weshalb sind Sie so sicher, daß wir aus diesem Loch wieder herauskommen? Sie haben uns doch nichts vorgemacht, oder?"
Er wandte sich flüchtig um.
„Ich glaube", erwiderte er, „die Antwort lautet: weil wir denkende Wesen sind. Wir haben zum Glück etwas mit auf den Weg bekommen wie Verstand. Benutzen wir ihn also!"
„Gegen alle Gesetze der Physik?" Brandis winkte ab.
„Nicht gegen, Martin, mit ihnen. Der Mensch hat schließlich auch das Fliegen gelernt - allen Unkenrufen zum Trotz. Nichts fliegt, hieß es, was schwerer ist als die Luft. Aber dann kam Lilienthal, dann kamen die Brüder Wright. Das Problem, mit dem wir es zu tun haben, ist kein unlösbares. Wir benötigen mehr Schub - das ist alles."
Es klang sehr einfach. Gern hätte ich mich von ihm überzeugen lassen, daß es so war. Aber ich war nicht in der Lage, unseren Faktor zu vergessen. Hier wirkten wir mit unserer Körpergröße normal, doch sobald wir zur Henri Dunant zurückkehrten, zeigte sich, was aus uns nach irdischem Maßstab geworden war: Miniaturen. Gartenzwerge hatte Busch uns genannt. Ein Gartenzwerg war auf der Suche nach mehr Schub - und das für ein Schiff, auf dem er nicht einmal die Knöpfe drücken konnte, selbst wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte.
Mittlerweile ist dieser Tag Erinnerung. Inzwischen weiß ich, daß ich Mark Brandis auf einer Expedition begleiten durfte, die ihm sehr viel menschliche Größe abverlangte. Ich erlebte Brandis, den ich als großen Astronauten kannte und schätzte, als großen Menschen. Ein Gartenzwerg? Wie relativ doch alles ist!
Wir umrundeten einen Schuttplatz, und Brandis hob die Hand.
„Da ist es!"
Das andere Schiff war weithin zu sehen. Der Faktor hatte offenbar noch nicht hinreichend Zeit gehabt, es der Umgebung anzupassen.
Das von der Erde stammende hitze- und strahlenfeste Material schrumpfte langsam. Schlank und
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