Weltraumpartisanen 24: Astronautensonne
teuer und nur bedingt haltbar, und viele Reeder und Schiffer scheuten die Ausgabe. Falls es dann benötigt wurde, um einen Strahlenkranken schmerzfrei zu halten, bot sich als rettender Ausweg ein Anruf bei der UGzRR an. Apothekendienst gehörte zwar nicht in den engeren Katalog unserer Aufgaben, dennoch stieß keine dieser Anforderungen bei uns auf taube Ohren. Im Rahmen des Möglichen wurde geholfen - wie üblich kostenlos. Lediglich das Medikament selbst wurde in Rechnung gestellt. Die UGzRR hatte durchaus ihre großzügige Seite.
LUT war ein benachbartes Raumgebiet. Die Walküre hatte die Astrostat-Kette abgeklappert und die Plattformen mit allerlei Stückgut versorgt und befand sich nun auf der Heimreise nach Hamburg. Der Unfall war vor zwei Tagen passiert - beim Durchfliegen einer Sturmzone. Das Leck im Maschinenraum war zu spät bemerkt worden: die übliche Schlamperei und Dickfelligkeit.
Wir kamen etwas zu früh und gingen auf Warteposition. Mit zehn Minuten Verspätung schließlich tauchte die Walküre auf, und ich schickte Lieutenant O’Brien mit dem Neutralin hinüber. Im Handumdrehen war alles erledigt. Das Dingi kehrte zurück, und die Walküre sprach uns ihren Dank aus und nahm wieder Fahrt auf.
Ich hatte nicht nach dem Namen des Chiefs gefragt. Ich wollte ihn nicht wissen. Der Mann war so gut wie tot. Auch das Neutralin würde ihn nicht retten. Allenfalls konnte es sein Leiden lindern.
Noch vor Mitternacht - Metropolis-Zeit - setzte die Henri Dunant wieder in Las Lunas auf. Bevor ich mich zur Ruhe begab, sprach ich meinen Bericht für den Computer. Ich war noch damit beschäftigt, als der Lautsprecher über meiner Koje lebendig wurde. Mike Bergers Stimme erklang.
„Henri Dunant - Tower. Ich hoffe, ihr liegt nicht schon in den Federn. Over!“
Ich drückte die Taste.
„Was liegt an, Mike? Over!“
„Oh, du bist es selbst, Mark! Desto besser. Was ist eigentlich mit deinem Visio los? Over.“
„Mit dem Visio - wieso? Over!“
„Ich komme nicht durch. Und deine Frau, die dir das Gutenacht-küßchen geben will, kommt auch nicht durch. Jetzt ist sie mit mir verbunden. Frage: Soll ich dich vertreten?“
„Untersteh dich! Ich komme.“
„Laß dir Zeit, Mark. Ruth ist in bester Gesellschaft.“
„Sag ihr: in fünf Minuten! Ich bin schon unterwegs.“
Ich fuhr in die Kombination, stülpte den Helm über, schleuste mich ins Freie, schlitterte die Gangway hinab und arbeitete mich durch den lunaren Staub.
Von der Rampe Beta, die wir neuerdings benutzten, waren es bis zum Tower rund dreihundert Meter. Das Leben war nicht bequemer geworden. Ich hatte die UGzRR gebeten, uns irgendein Mobil zur Verfügung zu stellen, aber die Mittel waren bisher noch nicht bewilligt. Das war die andere Seite der UGzRR. Wie so oft, wenn es ans Sparen geht, sparte man an den kleinen Dingen. Ich hatte es mir längst abgewöhnt, mich über diese Pfennigfuchserei aufzuregen. An der Begründung, die dahinterstand, nämlich, daß die Betriebs- und Werftkosten Vorrang hatten, war schließlich nicht zu rütteln.
Ich war vielleicht auf halbem Wege, als über dem nicht allzu fernen Raumhafen eine Najade zur Landung ansetzte. Ihr Name war der einer guten alten Bekannten. Gleich in den ersten Tagen der UGzRR hatte sie uns sechsunddreißig Stunden lang in Atem gehalten, und seitdem stand ich zu ihr in einem Verhältnis ähnlich wie ein Arzt zu seinem Patienten. Der Scheinwerfer blinzelte.
Als ich mich abwandte, erhaschte ich gerade noch etwas wie eine verwehte Bewegung. Ich blieb stehen. Im Cockpit der Starpeace spiegelte sich die aufgehende Erde. Die Schleuse des Raumkutters war geschlossen. Und dennoch war mir, als hätte ich sie eben noch leicht geöffnet gesehen: in jenem Sekundenbruchteil vor dem Einrasten. Eine optische Täuschung, hervorgerufen durch den Scheinwerfer der Najade?
Ich dachte an Kellermanns Drohung und fand mich mit dieser Erklärung nicht ab. Eine Überprüfung der Sache konnte zumindest nicht schaden.
„Mike“, sagte ich. „Over!“
Der alte Versorger-Tower antwortete nicht.
„Mike“, wiederholte ich. „Es ist dringend. Over!“
Mike Berger ließ auch diesmal nichts von sich hören. Wahrscheinlich hatte er nur Augen und Ohren für meine Frau. Ich wechselte die Frequenz.
„Henri Dunant. Over!“
Lieutenant Levys Besonderheit war seine Kunst zu schlafen. Gleich welcher Lautsprecher anschlug - es interessierte ihn nur, wenn ein Mayday fiel. Oder der Name seines Schiffes. Dann jedoch war er
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