Weltraumpartisanen 24: Astronautensonne
gebracht, auf die eine oder die andere Weise. Es brauchte ja nicht wieder ein Absturz mit dem Fahrstuhl zu sein. Friedman - um ihn zu strafen. Professor Moliere - um vorzubeugen. Und nun konzentrierte sich alles auf Martin Seebeck. Ein Journalist seines Kalibers war durchaus in der Lage, das schmutzige Spiel zu durchkreuzen. SIE standen vor der Notwendigkeit, ihn zur Strecke zu bringen, bevor er mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit trat, bevor er womöglich dem Parlament die Augen öffnete.
Ich kam zu einem Entschluß.
„Martin“, sagte ich, „unser erster Schritt wird sein, Sie auf die Henri Dunant zu schaffen. Dort sind Sie dann zunächst in Sicherheit. Darüber hinaus gibt es einen Arzt, der mir vertrauenswürdig erscheint. Er arbeitet auf einer dieser Plattformen, auf Interplanar III. Ich werde ihn abholen lassen. Der zweite Schritt wird sein, daß wir uns um das Material kümmern, das Sie von Professor Friedman erhalten haben. Tragen Sie es etwa bei sich?“
Seebeck deutete ein Kopfschütteln an.
„Das war zu riskant. Ich mußte sicher sein, daß sie es nicht finden. Ich habe es vergraben.“
„Wo vergraben?“
„Wo es keiner vermutet. Tief genug. Ich werde Ihnen eine Skizze machen. Ich werde…“
Wieder einmal konnte er nicht weiter. Der Schmerz verschlug ihm die Sprache.
„Gut“, erwiderte ich. „Sobald wir an Bord sind, bekomme ich die Skizze. Im Anschluß daran verständige ich den Generalstaatsanwalt in Metropolis. Alles, was ihm fehlt, um tätig zu werden, sind Beweise.“
Seebeck hob abrupt die Hand.
„Mark, wenn Sie Generalstaatsanwalt sagen - wen meinen Sie damit?“
„Es gibt nur den einen: Henryk Pilsudski.“
„Pilsudski ist seit gestern nicht mehr im Amt.“ Ich erstarrte.
„Wieso nicht?“
„Pilsudski wurde unbequem. So hat man ihm ein Dienstvergehen angedichtet und ihn kaltgestellt. Das ganze Manöver trägt die Handschrift des MSD. Jetzt sitzt ein alter Bekannter von Ihnen auf dem Stuhl: Dr. Mildrich.“
Ein verkniffenes Bürokratengesicht tauchte vor mir auf, vom Ehrgeiz zerfressen. Dr. Mildrich, damals Staatssekretär, hatte auf der Trittleiter der Han-Wu-Ti-Katastrophe den ihm gebührenden Lorbeer pflücken wollen und war dabei gestrauchelt. Nun hatte ihn der MSD also wieder auf die Beine gestellt: als Generalstaatsanwalt von Kosmos-Trusts Gnaden.
Weiß Gott, dachte ich, SIE gehen gründlich zu Werk. Martin Seebeck steckte bis über die Ohren im Dreck. Er schöpfte Atem. Das Holz, aus dem die großen Journalisten gemacht werden, ist hart. Seebeck war noch nicht alles losgeworden, und das ließ ihm keine Ruhe.
„Noch eins, Mark, damit Sie wissen, wie bei diesem Spiel die Regeln lauten. Bei den Arbeiten auf dem Titan ist eine Menge schiefgegangen, viel unwiederbringliche Zeiten wurde verplempert. Mit anderen Worten: es geht für sie auf Biegen oder Brechen. Um mit der Versonnung des Titans Erfolg zu haben, benötigen Sie eine bestimmte Konstellation. Die haben sie am 4. April, um 14.00 Uhr. Dann erst wieder in hundertunddreizehn Jahren. Falls es ihnen nicht gelingt, die Versonnung am 4. April auszulösen, können sie einpacken. Eine Besetzung des Titans, wie diese Weltwachtler das planten, hätte den ganzen Zeitplan über den Haufen geworfen. Sie müssen eine panische Angst gehabt haben, daß sie diesen Unfall provozierten…“
Martin Seebeck sackte in sich zusammen. Mir war nicht klar, ob er mich hörte und verstand, als ich sagte:
„Auch das war kein Unfall, Martin.“
Die Mondkruste kam nicht zur Ruhe. Die Erschütterungen eines dritten Bebens zogen durch das knisternde Gestein. Ich bückte mich und legte Seebecks linken Arm über meine rechte Schulter. Ich stellte mir vor, die Heilgymnastin stände unsichtbar neben mir, um mir den Ablauf der Bewegungen zu diktieren: Langsam aufrichten. Mit dem rechten Arm Seebecks Hüfte umfassen. Behutsam drehen.
„Vorwärts, vorwärts!“ sagte ich laut. „Hier können wir nicht bleiben. Stützen sie sich auf meine Schulter!“
12.
Fast hätten wir es geschafft, bis zum Dingi zu kommen. Daß wir es nicht vermochten, lag nicht an meinem lädierten Zustand allein. Zehn Schritt vor der Plattform wurde Seebeck ohnmächtig, und als er umkippte, fiel ich mit hin. Der Staub war weich und tief.
Ich wollte aufstehen, doch es gelang mir nicht. Ich war so erschöpft, daß ich wieder einmal alles durcheinanderbrachte. Die unsichtbare Heilgymnastin ließ mich im Stich. Ich kam einfach nicht hoch. Bevor ich eine neuerliche
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