Weltraumpartisanen 30: Die Eismensch-Verschwörung
…«
Seebecks Aufmerksamkeit schweifte für einen Augenblick ab. Ein Scooter zog vor dem Fenster vorbei, eins von den offenen Raumkanus. Brandis verlor keine Zeit. Die Arbeit ging weiter. Und wo der Projektleiter nicht nach dem rechten sah …
Seebecks Blick kehrte zu Morales zurück. »Wie war das eben?«
»Ich sagte gerade«, widerholte Morales, »daß der Wurm überall stecken kann. Es mag an diesem Tornado gelegen haben. Wir haben mit dem, was wir hier tun, noch keine Erfahrung. Andererseits sind die elektronischen Bauelemente, die hier benötigt werden, von geradezu hysterischer Sensibilität. Ein verbotenes Metallteilchen in der Tasche eines Arbeiters bei der Justierung kann zu magnetischen Abweichungen führen.«
Auch Leo Hauschildt hatte dem Scooter nachgeblickt. Der Commander hatte Morales zur Minna gemacht. Noch eine solche Panne – und Morales würde sein Gastspiel als Erster Ingenieur beenden müssen.
»Wenn es Ihnen recht ist, Mr. Morales«, sagte er laut, »fange ich schon mal an, die Anlage zu überprüfen.«
Leo Hauschildt entriegelte das Pult. Niemand bemerkte, wie er rasch eine Hand hineinsteckte und mit zwei spitzen Fingern den winzigen Magneten entfernte, der neben dem Winkelrechner klebte.
10.
Vierzig Meter tief unter der frostklirrenden, schneebedeckten Oberfläche der künstlichen atlantischen Insel namens Metropolis herrschten fast tropische Temperaturen. Die Körperwärme jener über hundert unglücklichen Fahrgäste des Express 303, der in der engen Metro-Röhre festsaß, heizte in der Survival-Lounge die verbrauchte Luft auf.
Die Luft war schwer und arm an Sauerstoff. Und von Atemzug zu Atemzug wurde sie schlechter. Einen vierten Tag in dieser babylonischen Gefangenschaft – Ruth O’Hara machte sich nichts vor – würde sie nicht überstehen.
Nicht nur sie – auch die anderen nicht. Niemand in diesem Raum, der ursprünglich geplant worden war als Überlebensbox mit Notausstieg für den unwahrscheinlichen Ernstfall – und in dem nunmehr alle Lichter erloschen waren. Niemand.
Und Mark junior schon gar nicht.
Ruths Hand tastete sich durch die Dunkelheit, bis sie das hüstelnde Kind gefunden hatte. Der Junge brauchte dringend einen Arzt, zumindest jedoch gehörte er ins Bett. Das Fieber zehrte ihn aus.
Warum geschah nichts? Weshalb ließ die Rettungskolonne auf sich warten? Im Prinzip war der Verkehr in dem unterirdischen Röhrensystem narrensicher – aber für den Fall des Falles wurde rund um die Uhr ein mobiler Bergungstrupp in Bereitschaft gehalten.
Die Metro-Betreiber garantierten: Im gesamten Verkehrsnetz gäbe es keinen Punkt, der von den Bergen nicht binnen einer Stunde erreicht werden könnte.
Ruth entsann sich des Momentes, in dem der Express 303 auf freier Strecke plötzlich zum Stehen gekommen war.
Die Stunden, die seitdem verstrichen waren, ließen sich kaum zählen.
Ruth fiel sogar das Rechnen schwer. Der Sauerstoffmangel beeinträchtigte das Denkvermögen. Die Gedanken krochen wie Schnecken.
Zweimal vierundzwanzig Stunden. Und noch einmal achtzehn.
Sechsundsechzig Stunden.
Bald volle drei Tage.
Und begonnen hatte alles mit der überstürzten Flucht aus der Wohnung.
Als der Helikopter abhob, fiel das Licht des Landescheinwerfers über das Parkdeck her. Der falsche Captain Goldmund stand im wirbelnden Schnee, den Kopf in den Nacken geworfen, und sein Gesicht glich im kalkigen Licht einer erstarrten Maske. Es war ohne jeden Ausdruck.
Ruth schaltete den Scheinwerfer ab.
Allmählich ging ihre Flucht über in planmäßiges Handeln.
Also, was war geschehen? Sie hatte sich in eine Falle locken lassen. Die Gefahr, die von Jakobys Homaten ausging, kam ihr erst jetzt in vollem Ausmaß zu Bewußtsein. Der Eismensch war so geschickt getarnt gewesen, daß selbst die Polizisten, die nach ihm fahndeten, sich hatten täuschen lassen. Oder steckten sie mit ihm unter einer Decke?
In was, fragte sich Ruth, war sie hineingeraten?
Die Antwort lag möglicherweise im sprechenden Staub verborgen, den sie noch immer besaß.
Sie überzeugte sich davon, daß der Umschlag, den sie den klammen Fingern dieses intelligenten Monstrums gerade noch hatte entreißen können, unversehrt geblieben war.
Was ging vor in Metropolis?
Wer war daran interessiert, Chemnitzers bösen Geist noch einmal auf die Menschheit loszulassen?
Ruth nahm Kurs auf die VEGA.
Dort, in ihrem Büro, erwartete sie eine sichere Zuflucht. Jacksons Werkschutz setzte sich aus erprobten, zuverlässigen
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