Weltraumpartisanen 30: Die Eismensch-Verschwörung
Leuten zusammen. In der Hungerrevolte des vergangenen Jahres war dank ihnen das Gelände der VEGA von Gewalttat und Plünderung verschont geblieben. Und ungeachtet der späten Stunde würde sich immer noch ein Techniker auftreiben lassen, um ihr zu helfen, den Staub ins Kreuzverhör zu nehmen. Und sei es mit einem weiteren abgehalfterten Stuntman.
Die Sache duldete keinen Aufschub.
Der nächste Schritt würde dann sein, sich mit John Harris in Verbindung zu setzen, der sich noch immer in Las Lunas befand.
Oder, falls Harris unerreichbar blieb, mit Henry Jackson. Der Sicherheitsbeauftragte der VEGA war ein erfahrener Kriminalist, ein Spezialist auf dem Gebiet der Abwehr.
Die Polizei von Metropolis hingegen – Ruth fühlte sich gewarnt – war in dieser verworrenen Angelegenheit kein vertrauenswürdiger Verbündeter mehr. Ein falscher Captain war vorerst genug. Professor Jakoby war keineswegs eines natürlichen Todes gestorben …
So weit waren Ruths Überlegungen gediehen, als das helle Pfeifen des Rotors schlagartig überging in ein stotterndes Winseln.
Ruth überprüfte die Anzeigen. Alle, bis auf eine, waren normal. Die Treibstoffanzeige stand auf LEER. Dabei – in solchen Zeiten entwickelt man für gewisse Dinge ein untrügliches Gedächtnis, und Ruth machte diesbezüglich keine Ausnahme – war der Tank vor einer Viertelstunde noch fast halb voll gewesen.
Ein paar Sekunden noch – und der Helikopter würde anfangen zu trudeln. Ruth war eine erfahrene Pilotin und reagierte sofort. Sie drückte die Maschine in die Tiefe und hielt Ausschau nach einem Landeplatz.
Metropolis lag im Dunkeln. Ruth schaltete den Scheinwerfer ein.
Der Helikopter stieß hinab in eine Straßenschlucht und wirbelnden Schnee, gewann noch einmal an Höhe und setzte dann mit einem letzten Düsenröcheln auf dem menschenleeren Antoine-Ibaka-Platz auf.
Ruth wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Sie war noch einmal davongekommen, um ein Haar, und Mark Junior mit ihr. Als Ruth den Jungen aufhob, wurde er wach und begann zu weinen.
»Still!« sagte Ruth. »Es ist ja nichts passiert. Still!«
Nun erst nahm sie den scharfen Geruch von verschmortem Metall wahr. Irgendwo im Helikopter gab es ein Einschußloch.
Und weiter?
Ruth rang nach Luft. Neben ihr, in der undurchdringlichen unterirdischen Nacht, hustete ihr Kind.
»Still!« sagte sie. »Mir wird schon etwas einfallen. Still!«
Wenn keiner der Eingeschlossenen sich entschied, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen – sie würde es tun.
Aber wie? Wohin sollte sie sich wenden?
Im Schneegestöber über dem Antoine-Ibaka-Platz hatte ihr ein einsames glühendes M den Weg gewiesen.
M für Metro.
Hinter dem huschenden Vorhang glomm das M wie das Positionslicht eines fernen Schiffes. Es war nur deshalb so deutlich zu sehen, weil alle anderen Lichter, die sonst zu nächtlicher Stunde die Hauptstadt der EAAU mit ruhelosem Leben erfüllten, gelöscht waren. War das schon der Anfang vom Ende? Auf jeden Fall spielte die energiehungrige EAAU mit Intersolar ihre letzte Karte aus.
Als Ruth O’Hara den Helikopter verließ, fiel der eisige Wind über sie her wie ein wildes Tier. Ruth duckte sich. Die Maschine mußte bleiben, wo sie war – zumindest bis zum nächsten Morgen. Dann würde man sie für den kurzen Flug zur VEGA wohl provisorisch flottmachen können. Einstweilen behinderte sie keinen.
Ruth zog den Schlag noch einmal auf und nahm den Umschlag an sich. Um ein Haar hätte sie ihn auf der Mittelkonsole liegenlassen.
Nein, noch gab sie nicht auf.
Den wieder in Schlaf gefallenen Mark junior auf dem Arm, kämpfte sie sich durch Schnee und Wind bis zur Rolltreppe, die sie hinabtrug zum tief unter der Erde gelegenen Bahnhof.
In der ganzen riesigen Stadt war in diesen Tagen die Metro das einzige Verkehrssystem, das noch halbwegs zuverlässig funktionierte, und der Express 303 gehörte zu den Zügen, die weiterhin im Halbstundentakt verkehrten. Er verband das Zentrum von Metropolis sowohl mit dem Raumbahnhof als auch mit dem Werftgelände und schließlich mit dem Areal der VEGA, auf dem allein eine mittlere Großstadt Platz gefunden hätte.
Mit gedämpftem Fauchen kam der Zug aus der Röhre und hielt. Ruth stieg ein, fand einen freien Sessel und setzte sich – plötzlich zu Tode erschöpft. Die Türen schlossen sich lautlos, und die glitzernde Schlange des Zuges tauchte ein in die runde Nacht der Röhre.
Kostbare Zeit ging verloren. Aber sie waren am Leben, und das war
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