Weltraumzirkus d'Alembert 6-10 - Letzter Einsatz
denn wenn er den Kopf hob, war der Wind nahezu unerträglich.
Von ihren Fußspuren war nichts mehr zu sehen. Jules mußte sich einzig und allein auf seinen Orientierungssinn verlassen. Aber im Augenblick zweifelte er sogar, ob das Lager ihnen Schutz bieten würde. Er wußte nur, daß man in einer Situation wie dieser in Bewegung bleiben mußte. Stehenbleiben und Nachgeben bedeutete den einsamen, kalten Tod. Und Jules hatte im Leben noch so viel vor, daß er keine Sekunde daran dachte, einfach aufzugeben.
Auf dem Boden lag eine Schneedecke, deren oberste Schicht bereits zu Eis gefroren war. Die Stiefel der Männer knirschten bei jedem Schritt, den sie tiefer ins Zentrum des Schneesturms eindrangen. Jules hielt die Augen fast völlig geschlossen, aber auch wenn er sie weit geöffnet hätte, wäre es sehr zweifelhaft gewesen, ob er den Rand der Marsch entdeckt hätte, die unter derselben Frostschicht lag wie der Schnee.
Mit einem Schritt durchbrach Jules das Eis und sank tief in den eiskalten Schlamm ein. Er verlor das Gleichgewicht und versank noch tiefer, ließ aber dank seines jahrelangen Trainings Lis Hand nicht los. So riß er die zwei anderen mit sich in den eisigen Schlamm der Marsch.
Die Eiseskälte durchdrang ihn wie ein Schock, aber Jules verlor nicht die Nerven. Die Gefahren, die hier lauerten, waren ihm bekannt - unter der Oberfläche schwimmende Tiere, die einander auffraßen und auch Landtiere nicht verschmähten, die hin und wieder in den Sumpf gerieten. Die meisten hätten Wesen von Menschengröße nicht angegriffen, doch Jules wollte das Risiko erst gar nicht eingehen. Er wollte heraus, und zwar rasch.
Sekundenlang tastete er mit den Beinen nach festem Untergrund. Die zwei Männer hinter ihm waren ihm dabei keine große Hilfe. Das plötzliche Einsinken hatte sie so erschreckt, daß sie wie wild um sich schlugen und Jules mit dem Schlimmsten rechnete.
Die Kälte lähmte ihn. Von der Mitte abwärts hatte er kein Gefühl mehr. Gelang es ihm nicht schleunigst, sich aus dieser eisigen Umklammerung zu befreien, würde er erfrieren.
Er raffte seinen ganzen Orientierungssinn zusammen und versuchte ans Ufer zu gelangen. Der Schlamm hemmte seine Beine und schien ihn nach unten ziehen zu wollen. Jeder Schritt war ein mühsames Waten. Hätte er nicht über außergewöhnliche Kräfte verfügt, so wäre es ihm nicht geglückt, sich und seine zwei Begleiter aus dem zähen Schlamm herauszuführen.
Mit vier Schritten hatte er festen Untergrund gewonnen. Li, der gefaßtere der beiden, war knapp hinter ihm. Phillips kam als letzter. Jules suchte etwas, an dem er sich herausziehen konnte, und ertastete einen großen Stein. Er wollte sich eben hochziehen, als plötzlich die Last hinter ihm leichter wurde. Gleichzeitig ertönte ein Schrei, der sogar das Tosen des Windes übertönte.
Phillips hatte Lis Hand losgelassen und stand nun hüfttief im eisigen Schlamm. »Ich kann mich nicht rühren!« rief Phillips. »Etwas hält mich fest!« Jules konnte von seinem Standort nicht sehen, ob Phillips wirklich angegriffen wurde. Außerdem war er sicher, daß der Mann von der Mitte abwärts gefühllos vor Kälte war. Jedenfalls konnte er unmöglich feststellen, ob Phillips von einem Sumpftier angegriffen worden war oder bloß mit dem Fuß in eine Schlingpflanze geraten war.
In seiner Todesangst und Verzweiflung fing nun Phillips an, wild um sich zu schlagen. Dabei verlor er das Gleichgewicht auf dem schlüpfrigen Untergrund. Er fiel aufs Gesicht und ging kurz unter. Keuchend kam er wieder hoch, doch der Augenblick unter Wasser steigerte seine Panik. Er versuchte verzweifelt, das rechte Bein freizubekommen, während seine Entsetzensschreie von keuchenden Atemzügen abgelöst wurden.
Jules wollte ihm zu Hilfe kommen, konnte aber in diesem Fall nichts tun. Er wagte nicht, den Felsvorsprung loszulassen, weil er fürchtete, er selbst würde wieder zurückgleiten. Und wenn wirklich ein Tier Phillips angegriffen hatte, würde es vielleicht als nächstes Jules und Li anfallen. Hilflos mußte Jules mit ansehen, wie der verzweifelte Phillips im halbgefrorenen Schlamm um sich schlug. Noch dreimal fiel er hin, und jedesmal glückte es ihm, wieder aufzutauchen und Luft zu holen, jedesmal für eine kürzere Zeitspanne. Und dann versank er und kam nicht mehr hoch. Eine Hand war noch zu sehen, die um sich schlug, dann war auch sie verschwunden. Ein paar Luftblasen, und dann Stille.
Jules zog sich an Land, Li folgte ihm. Dem SOTE-Agenten
Weitere Kostenlose Bücher