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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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machen könnte. Ich finde, wir brauchen gar keine andere Regierungsform.«
 »Gibt es bei euch keine Großgrundbesitzer?« fragte Andrés.
 »Viele.«
 »Dann muß es doch auch Mißbräuche geben.«
 »Sicherlich. Mehr als genug.«
 »Aber ihr werdet sie abschaffen?«
 »Wir bemühen uns darum. Aber es gibt immer noch sehr viel Mißbräuche.«
 »Aber ihr habt keine großen Güter, die zerschlagen werden müßten?«
 »Doch. Aber es gibt Leute, die der Meinung sind, daß das durch eine richtige Besteuerung zu erreichen wäre.«
 »Wie denn?«
 Während Robert Jordan mit einem Stück Brot seine Eßschale auswischte, erklärte er den Männern, wie die Einkommen-und Erbschaftssteuern wirken. »Aber die großen Güter bleiben bestehen. Außerdem haben wir Grundsteuern«, sagte er.
 »Aber die Großgrundbesitzer und die Reichen werden sich bestimmt gegen solche Steuern auflehnen. Ich finde, daß das revolutionäre Steuern sind. Wenn die Reichen sich bedroht fühlen, werden sie sich gegen die Regierung auflehnen, so wie das bei uns die Faschisten gemacht haben«, sagte Primitivo. »Möglich.«
 »Dann werdet ihr bei euch zu Hause genauso kämpfen müssen, wie wir jetzt kämpfen.«
 »Ja, wir werden kämpfen müssen.«
 »Aber gibt es denn nicht viele Faschisten in deiner Heimat?«
 »Es gibt viele, die nicht wissen, daß sie Faschisten sind, es aber im richtigen Augenblick entdecken werden.«
 »Und ihr könnt sie nicht ausrotten, bevor sie losschlagen?«
 »Nein«, sagte Robert Jordan. »Wir können sie nicht ausrotten. Aber wir können das Volk erziehen, damit es den Faschismus fürchtet, ihn sofort erkennt, wenn er auftaucht, und ihn bekämpft.«
 »Weißt du, wo es keine Faschisten gibt?« fragte Andrés.
 »Wo?«
 »In Pablos Heimatstadt«, sagte Andrés und grinste.
 »Du weißt, was sie dort gemacht haben?« fragte Primitivo.
 »Ja. Ich habe die Geschichte gehört.«
 »Von Pilar?«
 »Ja.«
 »Sie konnte dir nicht alles erzählen«, sagte Pablo gewichtig. »Weil sie den Schluß nicht gesehen hat, weil sie vom Stuhl fiel, draußen vor dem Fenster.«
 »Dann erzähle du ihm, was sich abgespielt hat«, sagte Pilar. »Erzähle du die Geschichte, wenn ich sie nicht weiß.«
 »Nein«, sagte Pablo. »Ich habe sie noch nie erzählt.«
 »Nein«, sagte Pilar. »Und du wirst sie auch nie erzählen. Und nun möchtest du gern, daß es gar nicht passiert wäre.«
 »Nein«, sagte Pablo. »Das ist nicht wahr. Und wenn alle so wie ich die Faschisten umgebracht hätten, dann müßten wir nicht jetzt diesen Krieg führen. Aber ich möchte nicht, daß es so zugeht, wie es zugegangen ist.«
 »Warum sagst du das?« fragte Primitivo. »Hast du deine politischen Anschauungen gewechselt?«
 »Nein. Aber es war barbarisch«, sagte Pablo. »Damals war ich sehr barbarisch.«
 »Jetzt bist du besoffen«, sagte Pilar.
 »Ja«, sagte Pablo. »Mit deiner Erlaubnis.«
 »Als du barbarisch warst, hast du mir besser gefallen«, sagte die Frau. »Es gibt nichts Scheußlicheres als einen Säufer. Wenn der Dieb nicht gerade stiehlt, ist er wie jeder andere Mensch. Wenn der Räuber nach Hause kommt, hört er auf, ein Räuber zu sein. Wenn der Mörder nach Hause kommt, kann er sich die Hände waschen. Der Säufer aber stinkt und kotzt in sein eigenes Bett und löst sein Gedärm in Alkohol auf.«
 »Du bist ein Weib, und du verstehst das nicht«, sagte Pablo mit eintöniger Stimme. »Ich bin vom Wein besoffen, und ich würde lustig sein, wenn nicht diese Menschen wären, die ich umgebracht habe. Alle machen sie mir Kummer.« Er schüttelte mit trübseliger Miene den Kopf.
 »Gib ihm etwas von dem Zeug, das Sordo mitgebracht hat«, sagte Pilar. »Gib ihm etwas, das ihn aufmuntert. Er wird mir zu trübsinnig, es ist nicht mehr auszuhalten.«
 »Wenn ich sie wieder lebendig machen könnte, würde ich es tun«, sagte Pablo.
 »Geh und – – – dich selber an!« sagte Agustín zu ihm. »Wo sind wir denn hier?«
 »Ich würde sie alle wieder lebendig machen«, sagte Pablo traurig. »Jeden einzelnen von ihnen.«
 »Deine Mutter!« schrie Agustín ihn an. »Hör auf mit diesem Quatsch oder geh hinaus. Das sind Faschisten gewesen, die du umgebracht hast.« »Du hörst, was ich sage. Ich würde sie alle wieder lebendig machen.«
 »Und dann würdest du auf dem Meer wandeln«, sagte Pilar. »In meinem ganzen Leben habe ich so was von einem Mann nicht gesehen. Bis gestern war noch ein kleiner Rest von Männlichkeit in

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