Wem die Stunde schlaegt
anzuschmiegen), einen Mund, der gut auf einen fremden Mund paßte, und ein dummes, ehrgeiziges und sehr treues Herz. Dieses Mädchen liebte Klatsch, und von Zeit zu Zeit gestattete sie sich eine mäßige Anzahl anderer Liebhaber, worüber Karkow sich bloß zu amüsieren schien. Es hieß, er habe irgendwo noch eine zweite Frau außer der im Tankkorps, vielleicht sogar noch zwei andere, aber das wußte niemand so ganz genau. Ihm, Robert Jordan, gefiel sowohl die eine Frau Karkows, die er kannte, als auch seine Geliebte. Wahrscheinlich, meinte er, würde ihm auch die andere Frau gefallen, wenn er sie kennenlernte, und falls sie existierte. Zwei Wachtposten mit aufgepflanztem Bajonett stehen unten vor dem Portal, und heute abend ist wohl das Gaylord der angenehmste und behaglichste Aufenthaltsort im belagerten Madrid. Wie gerne wäre er jetzt dort! Obgleich es hier gemütlich ist, seit sie das Rad gestoppt haben. Und nun hört es auch zu schneien auf.
Gerne würde er Karkow seine Maria zeigen, aber er muß erst fragen, bevor er sie mitnimmt, und er muß erst sehen, welchen Empfang man ihm nach dieser Exkursion bereiten wird. Golz wird dort sein, nach beendetem Angriff, und wenn er, Robert Jordan, sich bewährt hat, werden alle es durch Golz erfahren. Golz wird sich auch Marias wegen über ihn lustig machen, da er ihm erzählt hat, er mache sich nichts aus Weibern.
Er langte in den Napf mit Wein, der vor Pablo stand, und füllte seine Tasse. »Mit deiner Erlaubnis«, sagte er.
Pablo nickte. Er ist wohl mit seinen militärischen Überlegungen beschäftigt, dachte Robert Jordan. Und sucht nicht im Schlund der Kanonen die Seifenblase des Ruhms, sondern in jenem Napf die Lösung seines Problems. Aber weißt du, der Lump muß doch recht tüchtig sein, daß er seine Schar so lange Zeit mit Erfolg geleitet hat. Er musterte Pablo und überlegte, was für eine Rolle er im amerikanischen Bürgerkrieg gespielt haben würde. Auch damals gab's eine Menge Guerillaführer, aber wir wissen sehr wenig über sie. Nicht die Quantrills oder die Mosbys oder sein eigener Großvater, sondern die kleinen, die Buschklepper. Und was das Saufen betrifft: glaubst du, daß Grant wirklich ein Säufer war? Sein Großvater hatte es immer behauptet. Daß er gegen vier Uhr nachmittags immer schon etwas betrunken war und daß er einmal während der Belagerung von Vicksburg zwei Tage lang völlig betrunken war. Aber Großvater behauptete, er habe durchaus normal funktioniert, gleichgültig, wieviel er getrunken hatte, nur war es manchmal sehr schwer, ihn wachzukriegen. Aber wenn man ihn wachkriegte, war er ganz normal. Bisher hat sich in diesem Krieg noch auf keiner Seite ein Grant oder ein Sherman oder ein Stonewall Jackson gefunden. Nein. Und auch kein Jeb Stuart. Und auch kein Sheridan. Dafür wimmelt es von McClellans. Die Faschisten haben eine Menge McClellans, und wir haben mindestens drei.
Ein militärisches Genie hatte er in diesem Krieg noch nicht getroffen. Kein einziges. Nicht einmal etwas, was einem militärischen Genie ähnlich gesehen hätte. Kleber, Lukácz und Hans hatten mit ihren internationalen Brigaden bei der Verteidigung Madrids brave Dienste geleistet, und dann war der alte, kahlköpfige, bebrillte, eingebildete, wie eine Eule dumme, im Gespräch unintelligente, wie ein Stier tapfere und bornierte, durch die Propaganda ausposaunte Verteidiger Madrids, Miaja, so eifersüchtig geworden auf Klebers Ruhm, daß er die Russen zwang, Kleber abzusetzen und nach Valencia zu schicken. Kleber war ein guter Soldat, aber er redete wirklich zuviel, wenn man bedenkt, was für Pflichten er hatte. Golz war ein tüchtiger General und ein braver Soldat, aber man gab ihm immer nur untergeordnete Posten und ließ ihm nie freie Hand. Der bevorstehende Angriff war seine bisher bedeutendste Aufgabe, und was Robert Jordan über dieses Unternehmen gehört hatte, gefiel ihm nicht allzusehr. Dann gab es da noch den Ungarn Gall, den man an die Wand stellen müßte, wenn man nur die Hälfte von dem glauben wollte, was im Gaylord erzählt wurde. Überleg mal, ob man auch nur zehn Prozent von dem glauben darf, was im Gaylord erzählt wird! dachte Robert Jordan.
Er hätte gerne die Schlacht auf der Hochebene hinter Guadalajara miterlebt, in der die Italiener geschlagen wurden. Aber damals war er unten in Estremadura. Hans hatte ihm eines Abends vor zwei Wochen im Gaylord davon erzählt und alles sehr anschaulich geschildert. Einen Augenblick lang schien die
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