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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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zurückkehren. Aber du weißt genau, daß du ins Gaylord gehen wirst, weil du da alles wiedersehen willst, weil du nach dieser Geschichte wieder gut essen und den Komfort und Luxus um dich haben willst, nach dieser Geschichte. Dann kehrst du ins Florida zurück, und dort wartet Maria auf dich. Ja, sie wird auf ihn warten, wenn diese Sache erst einmal vorüber ist. Ja, wenn diese Sache erst einmal vorüber ist. Glückt sie ihm richtig, dann wird er sich ein Essen im Gaylord leisten.
 Im Gaylord begegnete man den berühmten spanischen Kommandeuren aus dem Arbeiter-und Bauernstand, die zu Kriegsbeginn ohne vorhergehende militärische Ausbildung aus dem Volk selbst zu den Waffen kamen, und da stellte sich dann heraus, daß viele von ihnen Russisch sprachen. Das war damals, vor etlichen Monaten, seine erste große Enttäuschung gewesen, und er hatte schon angefangen, sich innerlich darüber lustig zu machen. Aber als er dann merkte, wie die Dinge zusammenhingen, fand er es ganz in Ordnung. Das waren wirklich Bauern und Arbeiter. Sie waren in der Revolution von 1934 tätig gewesen und hatten nach der Niederlage das Land verlassen müssen, und in Rußland hatte man sie auf die Militär Akademie und das Lenin-Institut der Komintern geschickt, damit sie das nächste Mal besser gerüstet sind und die für einen Befehlsposten erforderliche militärische Ausbildung besitzen. Die Komintern hatte sie erzogen. In einer Revolution darf man dem Außenseiter, der mitläuft, niemals zugeben, daß einer mehr wisse, als er angeblich weiß. Das hatte er schon gelernt. Wenn eine Sache nur im Grunde richtig ist, dann macht das Lügen angeblich nichts. Aber es wurde viel gelogen. Zuerst gefiel ihm das gar nicht. Er fand es abscheulich. Mit der Zeit aber begann es ihm zu gefallen. Es war das ein Zeichen dafür, daß man nicht mehr zu den Außenseitern zählte, aber die ganze Sache war äußerst korrumpierend.
 Im Gaylord zum Beispiel konnte man erfahren, daß Valentin González, genannt »El Campesino« oder »Der Bauer«, niemals Bauer gewesen war, sondern als Sergeant in der spanischen Fremdenlegion gedient hatte und in das Lager Abd el Krims desertiert war. Und was ist schließlich dabei? Warum soll er nicht Sergeant gewesen sein? In so einem Krieg braucht man Bauernführer, und zwar sehr schnell, und ein echter Bauernführer würde vielleicht allzusehr unserem Pablo ähneln. Man kann nicht warten, bis der wirkliche Bauernführer erscheint, und wenn er dann erscheint, hat er vielleicht allzuviel bäuerliche Eigentümlichkeiten an sich. Also muß man sich einen zurechtmachen. Übrigens, soweit er diesen El Campesino kannte, mit dem schwarzen Bart, den dicken Negerlippen und den fiebrigen, starren Augen, dürfte er seiner Umgebung wohl ebensoviel Scherereien bereiten wie ein echter Bauernführer. Als er ihn zuletzt sah, schien er bereits auf seine eigene Reklame hereingefallen zu sein und sich selber für einen Bauern zu halten. Er war ein tapferer und zäher Bursche, es konnte keinen tapfereren geben. Aber, du lieber Gott, wie ihm das Mundwerk ging! Und wenn er aufgeregt war, dann schwatzte er drauflos, unbekümmert um die Folgen seiner Indiskretion. Solche Folgen hatte es schon genug gegeben. Aber er war ein ausgezeichneter Brigadekommandant in Situationen, in denen es aussah, als sei alles verloren. Er wußte nie, wann alles verloren war, und auf jeden Fall schlug er sich durch. Im Gaylord konnte man auch Enrique Lister treffen, den einfachen Steinmetz aus Galicia , der jetzt eine Division befehligte und gleichfalls Russisch sprach, und den Schranktischler Juan Modesto aus Andalusien, der soeben ein Armeekorps bekommen hatte. Er hatte wohl sein Russisch nicht in Puerto de Santa María gelernt, obgleich es doch nicht unmöglich gewesen wäre, vorausgesetzt nur, es hätte dort eine Berlitz School für junge Schranktischler gegeben. Er war unter den jüngeren Militärs derjenige, dem die Russen am meisten vertrauten, weil er ein echter Parteimensch war, ein »Hundertprozentiger«, wie sie sich ausdrückten, voller Stolz diesen Amerikanismus benutzend. Er war viel intelligenter als Lister oder El Campesino.
 Ja, das Gaylord brauchte man, um seine Erziehung zu vervollständigen. Dort lernte man, wie die Dinge sich in Wirklichkeit verhalten, nicht wie sie sich angeblich verhalten. Er, dachte er, hatte eigentlich kaum erst mit seiner Erziehung begonnen. Ob er sie noch lange würde fortsetzen können? Das Gaylord, das war eine solide und

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