Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
gesunde Sache, gerade das, was er brauchte. Anfangs, als er noch an all den Unsinn glaubte, war er bestürzt und empört gewesen. Inzwischen aber hatte er begriffen, daß man ohne Schwindeleien nicht auskommen könne, und was er im Gaylord erfuhr, bestärkte ihn nur in seiner Überzeugung von den Dingen, die er nach wie vor für wahr hielt. Er wollte immer gerne wissen, wie etwas sich wirklich verhält, nicht wie es sich angeblich verhält. Im Krieg wird immer gelogen. Aber die Wahrheit über die Lister, Modesto und El Campesino war viel erfreulicher als alle die Lügen und Legenden. Eines Tages werden alle die Wahrheit erfahren, und inzwischen war er froh, daß es ein Gaylord gab, in dem er sie erfahren konnte. Ja, dort wird er hingehen, nach seiner Ankunft in Madrid, nachdem er die Bücher gekauft und sich ins heiße Bad gesetzt und zwei Gläschen getrunken und eine Weile gelesen hat. Aber diese Pläne hatte er sich noch vor der Begegnung mit Maria ausgedacht. Gut. Sie werden also zwei Zimmer nehmen, und sie kann machen, was sie will, während er ins Gaylord geht, und dann wird er zu ihr zurückkehren. Sie hat lange genug in den Bergen gesessen und gewartet, nun kann sie wohl auch ein Weilchen im Hotel Florida warten. Drei Tage werden sie haben, drei Tage in Madrid. Drei Tage können eine lange Zeit sein. Er wird sich mit ihr die Marx Brothers in der Oper ansehen. Der Film läuft nun schon seit drei Monaten und wird sich bestimmt noch weitere drei Monate halten. Die Marx Brothers in der Oper werden ihr bestimmt gefallen, dachte er. Sie werden ihr sehr gefallen.
 Immerhin war's ein weiter Weg vom Gaylord bis in diese Höhle. Nein, das war nicht so weit. Weit war's von dieser Höhle ins Gaylord! Kaschkin hatte ihn eingeführt, und es hatte ihm zuerst dort gar nicht gefallen. Kaschkin hatte gesagt, er müsse Karkow kennenlernen, Karkow verkehre gern mit Amerikanern und sei der größte Verehrer Lope de Vegas, den es gibt, und halte Fuente Ovejuna für das größte Theaterstück, das jemals geschrieben wurde. Vielleicht hatte er recht, aber er, Robert Jordan, war anderer Meinung.
 Karkow hatte ihm gefallen, nicht aber das Hotel. Karkow war der intelligenteste Mensch, den er je getroffen hatte. Mit seinen schwarzen Reitstiefeln, den grauen Breeches und der grauen Militärbluse, mit seinen winzigen Händen und Füßen, seinem leicht aufgedunsenen, zarten Gesicht und Körper, mit seiner merkwürdigen Art, die Worte zwischen seinen schlechten Zähnen gewissermaßen hervorzuspucken, kam er Robert Jordan recht komisch vor, als er ihn zum erstenmal sah. Aber er besaß mehr Verstand und mehr innere Würde und mehr äußere Unverschämtheit und mehr Humor, als Robert Jordan je bei einem Menschen gefunden hatte. Das Gaylord selbst fand er unanständig luxuriös und korrupt. Aber warum sollten nicht die Vertreter einer Macht, die ein Sechstel der Erde beherrscht, sich ein wenig Bequemlichkeit gönnen? Na, sie gönnten sie sich, und Robert Jordan fühlte sich zuerst von der ganzen Geschichte ein wenig abgestoßen, dann aber ließ er sie gelten und fand sogar Vergnügen an ihr. Kaschkin hatte ihn als einen Teufelskerl hingestellt, und Karkow war zuerst von einer verletzenden Höflichkeit gewesen, aber dann, als Robert Jordan keineswegs den Helden spielte, sondern eine Geschichte erzählte, die wirklich komisch war und ihn selber in ein recht ordinäres, gar nicht sehr ehrenvolles Licht setzte, vertauschte Karkow seine Höflichkeit erleichtert mit einer saloppen Grobheit, und dann wurde er unverschämt, und dann waren sie gute Freunde geworden.
 Kaschkin war dort nur geduldet. Irgend etwas schien mit ihm nicht zu stimmen, und man hatte ihn wohl zur Strafe nach Spanien geschickt. Man wollte Robert Jordan nicht sagen, was es sei, aber vielleicht wird man es ihm jetzt sagen, da Kaschkin tot ist. Auf jeden Fall waren er und Karkow Freunde geworden, und er hatte sich auch mit der unglaublich mageren, hageren, schwarzhäutigen, zärtlichen, nervösen, verdrängten und so gar nicht verbitterten Frau mit dem mageren, vernachlässigten Körper und dem kurzgestutzten dunklen, graugestreiften Haar, mit Karkows Frau, angefreundet. Sie arbeitete als Dolmetsch beim Tankkorps. Auch mit der Geliebten Karkows war er gut befreundet. Sie hatte Katzenaugen, rötlich-goldenes Haar (manchmal mehr rot, manchmal mehr golden, je nachdem, zu welchem Friseur sie gerade ging), einen trägen, sinnlichen Körper (wie dazu geschaffen, sich an fremde Körper

Weitere Kostenlose Bücher