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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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gewöhnt«, sagte Fernando.
 »Ja, wenn du daran gewöhnt bist!« sagte Robert Jordan höflich.
 »Ja«, bestätigte Fernando. »Jetzt muß ich hinauf. Gute Nacht, Don Roberto.«
 »Gute Nacht, Fernando.«
 Dann hatte er seine Sachen ausgezogen, ein Kissen aus ihnen gemacht, war in den Schlafsack gekrochen und lag nun da und wartete, fühlte die federnden Zweige unter der flanellenen, daunigen Sanftheit der Schlafsackwärme, beobachtete über den Schnee weg den Eingang der Höhle, fühlte, wie sein Herz klopfte, während er wartete... Die Nacht war klar, und sein Kopf war so klar und kühl wie die Nacht. Er roch den Duft der Fichtenzweige, auf denen er lag, den Fichtenduft der zerdrückten Nadeln und das schärfere Aroma des Harzes, das aus den Schnittstellen quoll. Pilar, dachte er. Pilar und der Todesgeruch. Das hier ist ein Geruch, den ich liebe. Und der Duft frischgeschnittenen Klees, zerdrücktes Salbeikraut, wenn du hinter den Rindern her reitest, Holzrauch und das brennende Laub im Herbst. Das muß der Duft des Heimwehs sein, der Rauchgeruch von den Haufen zusammengescharrten Laubes, die man im Herbst in den Straßen von Missoula verbrennt. Was möchtest du am liebsten riechen? Süßgras, das die Indianer zu ihren Körben verwenden? Geräuchertes Leder? Den Geruch der Erde nach einem Frühlingsregen? Den Geruch des Meeres, wenn du auf einer galicischen Landzunge durch den Ginster gehst? Oder den Wind, der vom Land her weht, wenn du dich Kuba näherst im Dunkel der Nacht? Das ist der Duft der Kaktusblüten, der Mimosen und des Traubenbaumes. Oder möchtest du lieber gebratenen Speck riechen, frühmorgens, wenn du hungrig bist? Oder Kaffee am Morgen? Oder einen Jonathan-Apfel, in den du hineinbeißt? Oder eine Ziderpresse in vollem Gang, oder Brot frisch aus dem Ofen? Du scheinst hungrig zu sein, dachte er, und er legte sich auf die Seite und beobachtete den Eingang der Höhle im Licht der Sterne, das der Schnee zurückwarf.
 Jemand kam unter der Decke hervor, und er sah die Gestalt, wer immer es auch sein mochte, in der Felslücke stehen, die den Eingang der Höhle bildete. Dann hörte er ein zischendes Geräusch im Schnee, und dann duckte sich die Gestalt in den Eingang und verschwand.
 Sie wird wohl nicht eher kommen, als bis die anderen eingeschlafen sind, dachte er. Was für eine Zeitverschwendung! Die Nacht ist schon halb vorbei. Oh, Maria. Komm jetzt rasch, Maria, denn wir haben wenig Zeit. Er hörte, wie von einem Ast der Schnee mit leisem Geräusch in den Schnee auf der Erde fiel. Ein leichter Wind erhob sich, er fühlte ihn im Gesicht. Plötzlich packte ihn die Angst: Vielleicht kommt sie gar nicht! Der aufkommende Wind erinnerte ihn daran, daß der Morgen nicht mehr fern war. Noch mehr Schnee fiel von den Ästen herab, während die Wipfel der Kiefern im Wind rauschten. Komm jetzt, Maria. Bitte, komm jetzt schnell zu mir, dachte er.
 Oh, komm jetzt zu mir. Zögere nicht. Es hat keinen Zweck mehr, daß du wartest, bis sie eingeschlafen sind.
 Dann sah er sie unter der Decke hervorkommen, die im Eingang der Höhle hing. Einen Augenblick lang stand sie da, und er wußte, daß sie es war, aber er konnte nicht sehen, was sie machte. Er stieß einen leisen Pfiff aus, und sie stand immer noch am Höhleneingang und machte dort irgend etwas in der Dunkelheit des Felsschattens. Dann kam sie gelaufen, sie hatte etwas in der Hand, und er sah sie mit ihren langen Beinen durch den Schnee laufen. Dann kniete sie neben dem Schlafsack, den Kopf fest an ihn angepreßt, und schüttelte den Schnee von den Füßen. Sie küßte ihn und reichte ihm ihr Bündel.
 »Leg sie zu deinem Kissen«, sagte sie. »Ich habe sie gleich drüben ausgezogen, um Zeit zu sparen.«
 »Du bist barfuß durch den Schnee gegangen?«
 »Ja«, sagte sie, »ich habe nichts an als mein Hochzeitshemd.«
 Er preßte sie fest an sich, und sie rieb den Kopf an seinem Kinn.
 »Nimm dich vor meinen Füßen in acht«, sagte sie, »sie sind ganz kalt, Roberto.«
 »Leg sie hier hin, damit sie warm werden.«
 »Nein«, sagte sie. »Sie werden schon warm werden. Aber sag mir jetzt schnell, daß du mich liebst.« »Ich liebe dich.«
 »Gut. Gut. Gut.«
 »Ich liebe dich, kleines Kaninchen.«
 »Liebst du auch mein Hochzeitshemd?«
 »Es ist dasselbe wie immer.«
 »Ja. Wie gestern nacht. Mein Hochzeitshemd.«
 »Leg deine Füße hierher.«
 »Nein, ich will dir nicht deine Wärme stehlen. Sie werden von selber warm werden. Für mich sind

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