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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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hinauf schleppen, der hinter der Wiese begann, und die Faschisten brauchten es wohl nicht, dachte er.
 Sie haben Heu, soviel sie brauchen, und auch genügend Getreide. Sehr viel haben sie, dachte er. Aber morgen früh werden wir ihnen einen Hieb versetzen. Morgen früh werden wir ihnen die Sache mit Sordo heimzahlen. Diese Barbaren! Aber morgen wird es ordentlich stauben.
 Er wollte den Botengang schnell hinter sich bringen, um frühmorgens rechtzeitig zu dem Angriff auf die Posten zurück zu sein. Aber wollte er denn wirklich zurück sein oder tat er nur so vor sich selber? Er wußte, daß es ihm wie eine Gnadenfrist vorgekommen war, als der Inglés ihm befahl, sich mit der Depesche auf den Weg zu machen. Er hatte dem kommenden Tag mit Ruhe entgegengesehen. Das war nun einmal das, was zu geschehen hatte. Er hatte dafür gestimmt und würde mitmachen. Die Erledigung Sordos hatte tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Aber das war schließlich Sordo gewesen, das waren nicht sie gewesen. Was sie zu tun haben, werden sie tun.
 Aber als der Inglés ihm von der Depesche sprach, da hatte er das gleiche Gefühl gehabt wie in seiner Knabenzeit, wenn er am Morgen des Kirchweihfestes erwachte und es draußen heftig regnen hörte, so daß er wußte, es würde zu feucht sein, und die Stierhatz auf dem Marktplatz würde abgeblasen werden.
 Er liebte als Junge die Stierhatz, und er freute sich immer auf sie und auf den Augenblick, da er auf dem Marktplatz stehen wird, in der heißen Sonne und im Staub, im Kreis der Karren, die man ringsumher aufgestellt hat, um alle Ausgänge zu verrammeln und eine geschlossene Arena zu bilden, in der, wenn sie die Hinterwand der Kiste hochziehen, der Stier erscheinen wird, über die Bretter rutschend und mit allen vieren bremsend. Erregt, entzückt und schwitzend vor Angst sah er dem Augenblick entgegen, da er auf dem Platz stehen und das Geklapper der Hörner hören wird, die gegen das Holz der Transportkiste schlagen, und dann der Anblick des Stiers, wie er rutschend und bremsend auf den Platz herunterkommt, den Kopf hoch aufgerichtet, die Nüstern gebläht, die Ohren zuckend, Staub auf dem schimmernd schwarzen Fell, die Flanken mit getrocknetem Dung befleckt, der Anblick seiner weit auseinanderstehenden Augen, der starren Augen unter den wuchtig ausladenden Hörnern, die glatt und fest sind wie vom Sande geglättetes Treibholz, die scharfen Spitzen nach oben gerichtet, so daß bei ihrem Anblick der Herzschlag ein wenig stockt. Das ganze Jahr hindurch freute er sich auf diesen Augenblick, da der Stier auf den Platz herunterkommt und man seine Augen beobachtet, während er sich den aussucht, auf den er nun losgehen wird, mit gesenktem Kopf und stoßbereiten Hörnern, in dem jähen Katzengalopp, der einem anfangs das Blut in den Adern erstarren läßt. Das ganze Jahr hindurch freute er sich als Junge auf diesen Augenblick, aber das Gefühl, das er empfand, als der Inglés ihn mit der Depesche wegschickte, war das gleiche wie damals, wenn er erwachte und den erlösenden Regen auf das Schieferdach, gegen die Hausmauern und die Pfützen auf der schmutzigen Dorfstraße prasseln hörte.
 Er hatte sich bei diesen Dorf capeas stets sehr tapfer gehalten, so tapfer wie nur irgendeiner im Dorf oder aus den benachbarten Dörfern, und um nichts in der Welt hätte er auch nur eine einzige von ihnen versäumen wollen, wenn er auch die capeas anderer Dörfer nicht besuchte. Er brachte es fertig, ganz ruhig zu warten, wenn der Stier auf ihn losging, und erst im letzten Augenblick sprang er beiseite. Er schwenkte einen Sack vor seiner Schnauze, um ihn abzulenken, wenn er einen umgeschmissen hatte, und viele Male hatte er die Hörner gepackt, wenn der Stier einen zu Boden geworfen hatte, und hatte ihn weggezerrt, ihn geschlagen und in die Schnauze getreten, bis er den am Boden Liegenden in Frieden ließ und auf irgendwen anders losging.
 Er packte den Schwanz des Stiers, um ihn von einem Umgefallenen wegzuzerren, die Füße gegen den Boden gestemmt, mit beiden Händen an dem Schwanz zerrend und ihn zu einer Spirale drehend. Einmal hatte er mit der einen Hand den Schweif so weit herumgerissen, daß er mit der anderen Hand eines der Hörner packen konnte, und als der Stier den Kopf hob, um auf ihn loszugehen, war er rücklings mit dem Stier im Kreis gelaufen, den Schweif mit der einen Hand und das Horn mit der anderen festhaltend, bis die übrigen herangestürmt kamen und mit ihren Messern auf den Stier einstachen.

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