Wem die Stunde schlaegt
rief Andrés. »Wie oft muß ich dir das noch sagen! Ich bin allein.«
»Wenn du allein bist, dann steh auf und halte dein Gewehr über den Kopf.«
Andrés stand auf und hob mit beiden Händen den Karabiner über seinen Kopf empor.
»Komm jetzt durch den Stacheldraht!« rief die Stimme. »Die máquina ist auf dich gerichtet.«
Andrés befand sich nun in dem Zickzack des ersten Drahtgürtels. »Ich brauche meine Hände, um durchzukommen«, rief er.
»Laß sie oben!«
»Ich bin an dem Draht hängengeblieben«, rief Andrés.
»Es wäre viel einfacher gewesen, eine Bombe hinunterzuschmeißen«, sagte eine Stimme.
»Laß ihn doch das Gewehr umhängen!« sagte eine andere Stimme. »Er kann nicht mit erhobenen Händen durch den Drahtverhau. Sei doch ein bißchen vernünftig.«
»Alle diese Faschisten sind gleich«, sagte die andere Stimme. »Sie stellen eine Bedingung nach der andern.«
»Hört doch zu!« rief Andrés. »Ich bin kein Faschist, sondern ein guerrillero von Pablos Trupp. Wir haben mehr Faschisten umgebracht als der Typhus.«
»Ich habe nie etwas von Pablos Trupp gehört«, sagte der Mann, der offenbar den Posten befehligte. »Und auch nicht von Peter und nicht von Paul und keinem anderen Heiligen oder Apostel. Und auch nichts von ihren Trupps. Häng dein Gewehr um und gebrauche deine Hände, um durch die Drähte durchzukommen.«
»Bevor wir dir mit der máquina eins aufbrennen!« schrie ein anderer.
»¡Qué poco amables sois!« sagte Andrés. »Ihr seid nicht sehr liebenswürdig.« Er arbeitete sich durch den Drahtverhau durch.
»¡Amables!« rief einer zurück. »Wir sind im Krieg, Mann.«
»Es scheint so«, sagte Andrés.
»Was sagt er?«
Wieder hörte Andrés das Klicken eines Gewehrverschlusses.
»Nichts!« rief er. »Ich habe gar nichts gesagt. Schießt nicht, bevor ich über diesen Hurendraht weg bin.«
»Sprich nicht schlecht von unserem Draht!« rief einer. »Sonst schmeißen wir dir eine Bombe an den Kopf.«
»¡Quiero decir, qué buena alambrada!« rief Andrés. »Was für ein schöner Draht! Gott in der Latrine! Was für ein süßer Draht! Bald bin ich bei euch, Brüder!«
»Schmeißt ihm eine Bombe an den Kopf«, hörte er die Stimme wiederholen. »Ich sage euch, das ist die gesündeste Art, diese ganze Geschichte zu behandeln.«
»Brüder!« sagte Andrés. Er war mit Schweiß bedeckt, er wußte, daß der Befürworter des Bombenschmeißens durchaus imstande wäre, im nächsten Augenblick eine Handgranate herunterzuschmeißen. »Ich bin ganz unwichtig.«
»Das glaube ich«, sagte der Bombenmann.
»Du hast recht«, sagte Andrés. Er arbeitete sich vorsichtig durch den dritten Drahtgürtel durch und war nun schon ganz nahe an die Verschanzung herangekommen. »Ich bin ganz und gar unwichtig. Aber die Sache selbst ist sehr ernst. Muy, muy, serio.«
»Es gibt nichts Ernsteres als die Freiheit«, rief der Bombenmann. »Glaubst du, daß es etwas Ernsteres gibt als die Freiheit?« fragte er herausfordernd.
»Nein, Mann!« sagte Andrés erleichtert. Er wußte jetzt, daß er die Verrückten vor sich hatte, die mit den schwarzroten Halstüchern. »¡ Viva la libertad!«
»¡Viva la F.A.I.! ¡Viva la C.N.T.!« riefen sie von der Schanze zurück. » Viva el anarco-sindicalismo und die Freiheit!«
»¡Viva nosotros!« schrie Andrés. »Hoch sollen wir leben!«
»Er ist unser Glaubensbruder«, sagte der Bombenmann, »und beinahe hätte ich ihn mit diesem Ding da getötet.«
Er betrachtete die Handgranate in seinen Fingern und war tief gerührt, als Andrés über die Verschanzung geklettert kam. Er umarmte ihn, die Granate immer noch in der einen Hand, so daß sie an Andrés Schulterblatt zu liegen kam, und küßte ihn auf beide Wangen. »Ich bin froh, daß dir nichts geschehen ist, Bruder«, sagte er. »Ich bin sehr froh.«
»Wo ist dein Offizier?« fragte Andrés.
»Ich führe hier das Kommando«, sagte ein Mann. »Zeig mir deine Papiere.«
Er ging mit den Papieren in einen Unterstand und prüfte sie beim Schein einer Kerze. Da war das kleine Viereck gefalteter Seide in den Farben der Republik mit dem Siegel S. I. M. in der Mitte. Da war der salvoconducto oder Geleitpaß, auf dem Name, Alter, Größe, Geburtsort und der erteilte Auftrag verzeichnet waren; Robert Jordan hatte ihn ausgestellt, auf einem Blatt aus seinem Notizbuch, und ihn mit dem Gummistempel S. I. M. gestempelt. Und da waren schließlich die vier gefalteten Blätter der
Weitere Kostenlose Bücher