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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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du, du armes Häschen«, sagte er. Sie lächelte im Schlaf und rückte dicht zu ihm hin. »Vor einer Weile hätte ich dich geohrfeigt, wenn du auch nur ein Wort gesagt hättest. Wie tierisch ist ein wütender Mensch!«
 Er hatte jetzt die Arme um das Mädchen gelegt und das Kinn auf ihre Schulter, und während er so neben ihr lag, überlegte er genau, was er nun zu tun hatte und wie er es würde anpacken müssen.
 Es ist nicht so schlimm, dachte er. Es ist wirklich gar nicht so schlimm. Ich weiß nicht, ob das einmal ein Mensch gemacht hat. Aber von jetzt an wird es immer wieder Leute geben, die in einer ähnlichen Zwangslage das gleiche machen. Falls es uns gelingt, und falls die anderen davon hören. Falls sie davon hören, ja. Wenn sie sich nicht bloß fragen, wie denn das möglich war. Wir haben zu wenig Leute, aber es hat keinen Zweck, darüber nachzudenken. Das, was ich habe, muß reichen. Mein Gott, ich bin froh, daß ich meinen Zorn überwunden habe. Es ist, als ob einem ein Sturmwind den Atem verschlüge. Zornig sein ist auch so ein verdammter Luxus, den du dir nicht leisten kannst.
 »Die Rechnung ist klar, guapa «, sagte er leise an Marias Schulter. »Du bist nicht belästigt worden. Du hast gar nichts davon gewußt. Wir werden sterben, aber wir werden die Brücke sprengen. Du hast dir nicht den Kopf zerbrechen müssen. Das ist kein sehr großartiges Hochzeitsgeschenk, aber wird denn nicht behauptet, ein guter Nachtschlaf sei unbezahlbar? Du hast einen guten Schlaf getan. Sieh zu, ob du ihn tragen kannst wie einen Fingerring. Schlaf, guapa. Schlaf gut, mein Liebes. Ich wecke dich nicht auf. Das ist alles, was ich jetzt für dich tun kann.«
 Er lag neben ihr, hielt sie leicht in seinen Armen, fühlte ihren Atem und fühlte ihren Herzschlag und sah auf seiner Armbanduhr, wie Minute um Minute verrann.
 
XXXVI
 
 Andrés hatte die Stellung der Republikaner angerufen. Das heißt, er hatte sich unterhalb des dreireihigen Stacheldrahtverhaus, dort, wo der Boden jäh sich senkte, auf die Erde gelegt und dann zu der aus Steinen und Erde errichteten Schanze hinaufgerufen. Es gab hier keine zusammenhängende Verteidigungslinie, und er hätte sich ganz leicht im Dunkeln an dieser Stellung vorbeischleichen und weit in das Regierungsgebiet vordringen können, bevor er auf jemanden gestoßen wäre, der ihn angehalten hätte. Aber es erschien ihm einfacher und sicherer, die Sache gleich hier zu erledigen.
  »¡Salud!« hatte er gerufen. »¡ Salud, milicianos!«
 Er hörte den Bolzen eines Gewehrverschlusses knacken. Dann fiel ein Schuß. Ein peitschender Knall und ein Feuerstrahl, der durch das Dunkel nach unten zuckte. Andrés hatte sich, als er den Verschluß knacken hörte, flach ausgestreckt und preßte den Kopf gegen die Erde.
 »Nicht schießen, Genossen!« schrie Andrés. »Nicht schießen! Ich will zu euch hinüber.«
 »Wieviel seid ihr?« rief eine Stimme hinter der Brustwehr.
 »Einer. Ich ganz allein.«
 »Wer bist du?«
 »Andrés López aus Villaconejos. Von Pablos Trupp. Mit einer Depesche.«
 »Hast du ein Gewehr und deine Ausrüstung bei dir?«
 »Ja, Mann.«
 »Ohne Gewehr und Ausrüstung dürfen wir keinen hereinlassen« , sagte die Stimme. »Und auch nicht mehr als drei auf einmal.«
 »Ich bin allein«, rief Andrés. »Es ist wichtig. Laßt mich durch.«
 Er hörte sie hinter der Schanze reden, aber er verstand nicht, was sie sagten. Dann rief eine Stimme abermals: »Wieviel seid ihr?«
 »Einer. Ich allein. Um Gottes willen!«
 Wieder redeten sie hinter der Verschanzung. Dann von neuem die Stimme: »Hör zu, Faschist!«
 »Ich bin kein Faschist«, rief Andrés. »Ich bin ein guerrillero von Pablos Trupp. Ich habe eine Depesche an den Generalstab.«
 »Er ist verrückt«, hörte er jemanden sagen. »Schmeißt eine Bombe hinunter.«
 »Hört zu!« sagte Andrés. »Ich bin allein. Ich bin völlig allein. Ich – – – mitten in die heiligen Mysterien, daß ich allein bin! Laßt mich rein.«
 »Er redet wie ein Christenmensch«, hörte er jemanden sagen und lachen.
 Dann sagte ein anderer: »Das beste ist, eine Bombe hinunterzuschmeißen.«
 »Nein!« rief Andrés. »Das wäre ein großer Fehler. Die Sache ist wichtig. Laßt mich hinein.«
 Das war der Grund, warum er nicht gern die Linien passierte. Manchmal ging es besser, manchmal ging es schlechter. Nie aber war es sehr schön.
 »Du bist allein?« rief wieder die Stimme herunter.
  »¡Me cago en la leche!«

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