Wem die Stunde schlaegt
heißen Last), sah, daß das Gras an mehreren Stellen abgegrast war, und hier und dort war die Spur eines Pikettpfahles zu sehen, der in der Erde gesteckt hatte. Er sah die Fährte im Grase, wo die Pferde zum Bache gewandert waren, um zu trinken, und frischer Dung lag umher. Hier binden sie des Nachts die Pferde an und lassen sie grasen, dachte er, und am Tage verstecken sie sie im Wald. Wieviel Pferde mag dieser Pablo haben? Jetzt erinnerte er sich: er hatte festgestellt, ohne es sich bewußt zu machen, daß Pablos Hose an den Knien und Schenkeln abgescheuert war und wie Seife glänzte. Ob er Reitstiefel hat, oder ob er in diesen alpargatas reitet? Er muß gut equipiert sein. Aber diese Traurigkeit gefällt mir nicht, dachte Jordan. Diese Traurigkeit ist schlecht. Das ist die Traurigkeit, der sie verfallen, bevor sie desertieren – oder verraten. Das ist die Traurigkeit, die vor dem Schlappmachen kommt.
Dicht vor ihnen wieherte ein Pferd, und dann erblickte er zwischen den braunen Stämmen der Kiefern – nur ganz wenig Sonnenlicht drang durch die dichten, fast ineinander verfitzten Wipfel – die Hürde, zwei Stricke, die um die Baumstämme gespannt waren. Die Pferde richteten ihre Köpfe den herankommenden Männern zu, und am Fuß eines Baumes außerhalb des Pferchs lagen die Sättel, mit einem Zelttuch zugedeckt.
Als sie angelangt waren, blieben die beiden Männer mit den Packen stehen, und Robert Jordan wußte, daß er jetzt die Pferde zu bewundern habe.
»Ja«, sagte er. »Sie sind schön.« Er wandte sich zu Pablo. »Du hast deine eigene Kavallerie.«
Fünf Pferde standen in der Seilhürde, drei Braune, ein Rotfuchs und ein Grauer. Nachdem Robert Jordan sie im ganzen betrachtet hatte, ließ er nun sorgsam seine Blicke von dem einen zum anderen wandern. Pablo und Anselmo wußten, was für feine Tiere das waren, und während Pablo nun in stolzer Haltung dastand und etwas weniger traurig dreinsah, liebevoll die Pferde betrachtend, benahm sich der Alte, als handelte es sich hier um eine große Überraschung, die er selber ganz plötzlich produziert habe.
»Wie findest du sie?« fragte er. »Alle fünf habe ich erbeutet«, sagte Pablo, und Robert Jordan freute sich über den stolzen Ton.
»Das da«, sagte Robert Jordan und zeigte auf einen der Braunen, einen großen Hengst mit einer weißen Blesse auf der Stirn und einem einzelnen weißen Vorderfuß, »das ist Pferdefleisch.«
Es war ein prächtiger Gaul, er sah aus wie aus einem Bilde von Velazquez entsprungen.
»Sie sind alle sehr fein«, sagte Pablo. »Verstehst du was von Pferden?«
»Ja.«
»Nicht übel«, sagte Pablo. »Siehst du irgendwo einen Fehler?«
Robert Jordan wußte, daß jetzt der Mann, der nicht lesen konnte, seine Papiere prüfte.
Die Pferde reckten die Köpfe empor und schauten den Mann an. Robert Jordan schlüpfte durch das Doppelseil des Pferchs und klatschte mit der flachen Hand auf die Hanke des Grauen. Er lehnte sich gegen die Seile und beobachtete die Pferde, wie sie rund um die Hürde trabten, betrachtete sie dann noch eine Minute länger, während sie still standen, bückte sich dann und verließ die Hürde.
»Der Rotfuchs lahmt an einem Hinterhuf«, sagte er zu Pablo, ohne ihn anzuschauen. »Der Huf ist gespalten. Beschlägt man ihn richtig, dann wird es sich vielleicht nicht so bald verschlimmern, aber man muß damit rechnen, daß er zusammenbricht, wenn das Gelände hart ist.«
»Das war schon so, als wir ihn schnappten«, sagte Pablo.
»Das beste Pferd, das du hast, der braune Hengst mit der Blesse, hat am oberen Teil des Schienbeins eine Schwellung, die mir nicht gefällt!«
»Das ist nichts«, sagte Pablo. »Vor drei Tagen hat er sich angeschlagen. Wenn daraus was werden sollte, wär's schon geworden.«
Er zog das Segeltuch beiseite und zeigte die Sättel: zwei gewöhnliche Vaquero-oder Hirtensättel, ein sehr hübscher Vaquerosattel mit handgearbeitetem Leder und schweren geschuhten Steigbügeln und zwei schwarzlederne Militärsättel.
»Wir haben zwei von der guardia civil erledigt«, sagte er, auf die Militärsättel deutend.
»Edelwild.«
»Sie waren abgesessen, auf der Straße zwischen Segovia und Santa María la Real. Sie waren abgesessen, um von einem Kutscher die Papiere zu verlangen. Wir konnten sie abschießen, ohne die Pferde zu beschädigen.«
»Habt ihr viele civiles erledigt?« fragte Robert Jordan.
»Etliche«, sagte Pablo. »Aber nur diese beiden ohne Schaden für die
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