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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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schüttelte den Kopf. »Es ist nicht der Whisky. Ich habe bloß nie so viel zu besprechen gehabt.« »Ich schätze deine Hilfe und deine Ergebenheit«, sagte Robert Jordan. »Ich unterschätze nicht die Schwierigkeiten, die der Zeitpunkt der Sprengung mit sich bringt.«
 »Sprich nicht darüber«, sagte El Sordo. »Wir tun, was wir können. Aber es ist sehr kompliziert.«
 »Und auf dem Papier sehr einfach«, sagte Robert Jordan lächelnd. »Auf dem Papier wird die Brücke in dem Augenblick gesprengt, da der Angriff beginnt, damit nichts auf der Straße herankommen kann. Sehr einfach.«
 »Wenn wir nur auch unsere Aufgabe auf dem Papier erfüllen dürften!« sagte El Sordo. »Wenn wir nur auch auf dem Papier unsere Pläne entwerfen und durchführen dürften!«
 »Papier blutet nicht«, zitierte Robert Jordan das Sprichwort.
 »Aber es ist sehr nützlich«, sagte Pilar. »Es muy útil. Wie gern würde ich deine Order für diesen Zweck benützen.«
 »Ich auch«, sagte Robert Jordan. »Aber so gewinnt man keinen Krieg.«
 »Nein«, sagte die Frau. »Wahrscheinlich nicht. Aber weißt du, was ich gern möchte?«
 »Zur Republik gehen«, sagte El Sordo. Er hatte ihr sein gutes Ohr zugekehrt, um zu hören, was sie sagte. » Ya irás, mujer. Gewinnen wir den Krieg, dann haben wir überall Republik.«
 »Gut«, sagte Pilar. »Jetzt wollen wir in Gottes Namen was essen.«

XII   
    Nach dem Essen verließen sie das Lager El Sordos und machten sich auf den Weg ins Tal. El Sordo begleitete sie bis zu den unteren Posten.
  »Salud«, sagte er. »Bis heute abend.«
  »Salud, camarada«, sagte Robert Jordan, und die drei gingen den Pfad hinunter, und der Schwerhörige stand da und blickte ihnen nach. Maria drehte sich um und winkte ihm mit der Hand, und El Sordo winkte nachlässig zurück, mit jener abrupten spanischen Geste, den Arm emporschleudernd, als ob man etwas wegwürfe als ob man überhaupt jeden Gruß für überflüssig hielte, der nicht geschäftlichen Interessen dient. Während des Essens hatte er keinen Augenblick lang seine Lederjacke aufgeknöpft, und er war ausgesucht höflich gewesen, hatte immer aufmerksam zugehört und dann wieder in seinem »gebrochenen« Spanisch sich sehr höflich bei Robert Jordan nach den Zuständen in der Republik erkundigt; aber man hatte ihm anmerken können, daß er ihn los sein wollte.
 Als sie ihn verließen, sagte Pilar zu ihm: »Nun, Santiago?«
 »Nichts, Weib«, erwiderte der Schwerhörige. »Es ist schon gut. Aber ich denke nach.«
 »Ich auch«, sagte Pilar, und während sieden Pfad hinuntergingen – angenehm und bequem war der Abstieg über den steilen Hang, den sie zuvor so mühsam erklettert hatten –, sagte Pilar kein Wort. Auch Robert Jordan und Maria schwiegen, und zu dritt marschierten sie rasch weiter, bis der Weg steil aus dem bewaldeten Tal in den Forst emporstieg, den Forst verließ und auf die Bergwiese mündete.
 Es war heiß an diesem späten Mainachmittag, und mitten auf dem letzten steilen Hang blieb Pilar stehen. Als Robert Jordan sich nach ihr umschaute, sah er Schweißtropfen auf ihrer Stirn. Ihr braunes Gesicht sah blaß aus und die Haut fahl, und sie hatte dunkle Ringe um die Augen. »Ruhen wir uns ein Weilchen aus«, sagte er. »Wir gehen zu schnell.«
 »Nein«, sagte sie. »Gehen wir weiter!«
 »Ruh dich aus, Pilar«, sagte Maria. »Du siehst schlecht aus.«
 Sie marschierte weiter den Hang hinan, aber als sie oben ankam, ging ihr Atem schwer, und ihr Gesicht war schweißbedeckt, und jetzt sah man ganz deutlich ihre Blässe.
 »Setz dich, Pilar«, sagte Maria. »Bitte, bitte, setz dich.«
 »Gut«, sagte Pilar, und alle drei setzten sich unter eine Kiefer und blickten über die Bergwiese zu den Felsgipfeln hinüber, die aus dem welligen Hügelgelände jäh herauswuchsen, und der Schnee auf den Gipfeln schimmerte hell in der Sonne des frühen Nachmittags.
 »Was ist der Schnee für ein scheußliches Zeug, und wie schön sieht er aus!« sagte Pilar. »Was für eine Illusion ist der Schnee!« Sie wandte sich zu Maria. »Entschuldige, daß ich grob zu dir war, guapa. Ich weiß nicht, was mich heute gepackt hat. Ich gerate so leicht in Wut.«
 »Ich kümmere mich nicht um das, was du sagst, wenn du zornig bist«, sagte Maria. »Und du bist oft zornig.«
 »Nein, es ist mehr als Zorn«, sagte Pilar, und ihr Blick wanderte zu den Berggipfeln.
 »Du fühlst dich nicht wohl«, sagte Maria.
 »Auch das ist es nicht. Komm, guapa, und

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