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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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faßten und ihn an ihrer Brust wiegten. Er richtete sich auf, preßte sie mit beiden Armen so fest an sich, daß sie den Boden unter den Füßen verlor, und er fühlte, wie sie zitterte, und dann berührten ihre Lippen seinen Hals, und dann stellte er sie nieder und sagte: »Maria, oh, meine Maria.« Dann sagte er: »Wo gehen wir hin?«
 Sie antwortete nicht, sondern schob die Hand unter sein Hemd, und er fühlte, wie sie das Hemd aufknöpfte, und sie sagte: »Dich auch. Ich will auch küssen.«
 »Nein, kleines Kaninchen.«
 »Ja. Ja. Alles so wie du.«
 »Nein, das geht nicht.«
 »Dann aber! Dann! Oh, dann! Oh.«
 Dann war da der Duft des zerdrückten Heidekrautes und unter ihrem Kopf das rauhe Gewirr der zur Erde gebogenen Stengel und hell die Sonne auf ihren geschlossenen Augen, und sein Leben lang wird er die Kurve ihres Halses nicht vergessen, wie ihr Kopf zurückgebeugt zwischen den Heidekrautwurzeln ruhte, und ihre Lippen, die sich leise und ganz von selbst bewegten, und das Flattern der Lider über den Augen, die sich der Sonne verschlossen und allem, und alles war rot für sie, orangefarben, goldgelb von dem Sonnenlicht auf ihren geschlossenen Augen, und alles hatte die gleiche Farbe, alles, die Erfüllung, das Besitzen, das Nehmen, alles die gleiche Farbe, in der Blindheit, die Farbe war. Für ihn war es ein dunkler Weg, der nach Nirgendwo führte und weiter nach Nirgendwo und abermals weiter nach Nirgendwo und noch einmal nach Nirgendwo, immer und ewig nach Nirgendwo, schwer auf den Ellbogen in die Erde gekrampft nach Nirgendwo, dunkel, ohne Ende nach Nirgendwo, hangend immer und alle Zeit nach dem bewußtlosen Nirgendwo, diesmal und immer für ewig nach Nirgendwo, unerträglich jetzt, immer wieder und immer nach Nirgendwo, unerträglich jetzt aufwärts, aufwärts, aufwärts und ins Nirgendwo, plötzlich, versengend, umfassend, und alles Nirgendwo ist dahin, und die Zeit steht still, und da waren sie beide, da die Zeit stillstand, und er fühlte, wie unter ihm die Erde wich und versank. Dann lag er auf der Seite, den Kopf tief ins Heidekraut vergraben, und er roch die Blüten, die Wurzeln, die Erde, und die Sonne schien durch das Gestrüpp, und es kratzte ihn an den nackten Schultern und den Hüften, und das Mädchen lag ihm gegenüber, hatte die Augen noch geschlossen und öffnete sie dann und lächelte ihm zu, und er sagte sehr müde und aus weiter, aber freundlicher Ferne:
 »Hallo, Kaninchen.« Und sie lächelte und sagte aus gar keiner Ferne: »Hallo, mein Inglés.«
 »Ich bin kein Inglés «, sagte er sehr träge. »O doch«, sagte sie. »Du bist mein Inglés !« Und sie nahm ihn bei den Ohren und küßte ihn auf die Stirn.
 »So«, sagte sie. »Wie war das? Küsse ich dich jetzt besser?«
 Dann gingen sie miteinander den Bach entlang, und er sagte: »Maria, ich liebe dich, und du bist so reizend und so wunderbar und so schön, und es tut mir so wohl, bei dir zu sein, daß mir zumute ist, als möchte ich sterben, wenn ich dich liebe.«
 »Oh«, sagte sie. »Ich sterbe jedesmal. Du nicht?«
 »Nein. Aber fast. Hast du gemerkt, wie die Erde gezittert hat?«
 »Ja. Als ich starb. Bitte, leg deinen Arm um mich.«
 »Nein. Ich halte deine Hand. Deine Hand genügt mir.«
 Er sah sie an und blickte über die Wiese hin, ein jagender Habicht flog vorbei, und die großen Abendwolken stiegen nun über die Berge empor.
 »Und bei anderen ist es nicht so?« fragte Maria. Sie gingen jetzt Hand in Hand.
 »Nein. Wirklich nicht.« »Du hast viele andere geliebt.«
 »Einige. Aber keine wie dich.«
 »Und es war nicht so? Wirklich nicht?«
 »Es war angenehm, aber es war nicht so.«
 »Und dann hat die Erde gezittert. Hat sonst nie die Erde gezittert?«
 »Nein. Wirklich nicht.«
 »Ja«, sagte sie. »Und das haben wir für diesen einen Tag.«
 Er schwieg.
 »Aber wir haben es jetzt wenigstens gehabt«, sagte Maria. »Gefalle ich dir auch? Gefalle ich dir? Später werde ich besser aussehen.«
 »Du bist sehr schön.«
 »Nein«, sagte sie. »Aber streichle meinen Kopf.«
 Er fühlte ihr geschorenes Haar weich sich unter seiner Berührung glätten und dann zwischen seinen Fingern wieder aufrichten, und er nahm ihren Kopf in beide Hände und hob ihr Gesicht zu sich empor und küßte sie.
 »Ich küsse sehr gern«, sagte sie. »Aber ich mache es nicht gut.«
 »Du brauchst nicht zu küssen.«
 »Doch. Wenn ich deine Frau sein soll, muß ich dir auf jede Weise gefallen.«
 »Du

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