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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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dem Klappsitz spähte, während das Auto vorbeifuhr, durch den Schlitz in der blauen Fenstertünche hinaus, aber das wußte Anselmo nicht. Keiner sah den anderen. Genau unter ihm fuhr das Auto im Schneegestöber vorbei. Anselmo sah deutlich den Chauffeur, mit roten Backen, auf dem Kopf den Stahlhelm, Gesicht und Helm reckten sich aus der Pelerine hervor, und er sah den nach vorne gerichteten Lauf des Schnellfeuergewehrs, das der Ordonnanz gehörte, welche neben dem Chauffeur saß. Dann entschwand das Auto bergaufwärts, und Anselmo langte unter die Jacke, zog aus der Hemdtasche die zwei Papierblätter hervor, die Robert Jordan aus dem Notizbuch gerissen hatte, und machte hinter der Zeichnung eines Autos einen Strich. Es war das zehnte Auto, das an diesem Tag die Straße hinauffuhr. Sechs waren wieder heruntergekommen, vier waren noch oben. Keine ungewöhnlich große Anzahl von Autos auf dieser Straße, aber Anselmo unterschied nicht zwischen den Fords, Fiats, Opels, Renaults und Citroens des Stabes der Division, die die Pässe und die Bergkette besetzt hielt, und den RollsRoyces, Lancias, Mercedes und Isottas des Generalstabes. Diesen Unterschied hätte Robert Jordan ihm einprägen müssen, und wenn er an Stelle des Alten gewesen wäre, würde er sofort gewußt haben, was das Auftauchen dieser Autos bedeutete. Aber er war nun einmal nicht da, und der Alte machte ganz einfach für jedes Auto, das die Straße hinauffuhr, einen Strich auf das Notizblatt.
 Anselmo fror jetzt dermaßen, daß er es schon für das beste hielt, ins Lager zu gehen, bevor die Dunkelheit hereinbrach. Er hatte keine Angst, den Weg zu verfehlen, aber es erschien ihm sinnlos, noch länger zu warten, und der Wind wehte immer kälter, und der Schneefall ließ nicht nach. Aber als er aufstand und mit den Füßen aufstampfte und durch den treibenden Schnee auf die Straße hinunterblickte, besann er sich, und statt den Hang hinaufzugehen, blieb er stehen, an die windgeschützte Seite der Kiefer gelehnt. Der Inglés hat mir gesagt, ich soll warten, dachte er, und vielleicht ist er jetzt gerade auf dem Weg hierher, und wenn ich weggehe, könnte er sich im Schnee verirren. Den ganzen Krieg hindurch haben wir unter dem Mangel an Disziplin und Gehorsam zu leiden gehabt, und ich werde noch ein Weilchen ganz ruhig auf den Inglés warten. Aber wenn er nicht bald kommt, muß ich gehen, trotz aller Befehle, denn ich habe jetzt eine Meldung zu erstatten, und in den nächsten Tagen ist viel zu tun, und hier zu erfrieren wäre eine reine Übertriebenheit und ganz ohne jeden Zweck.
 Aus dem Schornstein der Sägemühle auf der anderen Seite der Straße kam Rauch, und der Wind wehte den Rauchgeruch zu Anselmo her. Die Faschisten haben es warm, dachte er, und gemütlich, und morgen abend werden wir sie umbringen. Es ist sonderbar, ich denke nicht gerne daran. Ich habe sie den ganzen Tag beobachtet, es sind ebensolche Menschen wie wir. Ich glaube, ich könnte zu der Mühle hingehen und an die Tür klopfen, und sie würden mich freundlich aufnehmen, wenn sie nicht Befehl hätten, alle unbekannten Personen anzuhalten und ihnen die Papiere abzuverlangen. Nur die Befehle sind es, die uns trennen. Diese Menschen da sind keine Faschisten. Ich nenne sie so, aber sie sind es nicht. Es sind ebenso arme Teufel wie wir. Sie brauchten gar nicht gegen uns zu kämpfen, und der Gedanke, sie umzubringen, gefällt mir nicht.
 Das sind gallegos, die Leute dort drüben. Ich weiß es, weil ich sie heute nachmittag habe reden hören. Sie können ja nicht desertieren, sonst erschießt man ihre Angehörigen. Die gallegos sind entweder sehr intelligent oder sehr dumm und brutal. Ich habe beide Sorten kennengelernt. Lister ist ein gallego, er stammt aus derselben Stadt wie Franco. Ich möchte wissen, was die gallegos sich denken, daß es zu dieser Jahreszeit schneit. Zu Hause haben sie keine hohen Berge, dort regnet es immer, und immer ist alles grün. In dem Fenster der Sägemühle schimmerte ein Licht, und Anselmo zitterte vor Kälte und dachte, hol der Teufel den Inglés! Da sitzen die gallegos warm und geborgen in einem Haus in meiner Heimat, und ich stehe frierend hinter einem Baum, und wir hausen in einem Felsloch wie die Tiere in den Bergen. Morgen aber, dachte er, werden die Tiere aus ihrem Loch hervorbrechen, und die dort, die es jetzt so gemütlich haben, werden warm unter ihren Decken sterben. So wie jene starben in der Nacht, als wir Otero überfielen, dachte er. Er erinnerte

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