Wem die Stunde schlaegt
seinem Atem.
Oft erschrak er im Schlaf, und dann fühlte sie, wie seine Finger ihre Hand umkrampften, und sie sah Schweißperlen auf seiner Stirn, und wenn er aufwachte, sagte sie: ›Es ist nichts‹, und er schlief wieder ein. So lebte sie mit ihm fünf Jahre und war ihm nie untreu, das heißt, fast nie, und dann nach dem Begräbnis tat sie sich mit Pablo zusammen, der die PicadorPferde in den Ring führte und genauso war wie alle die Stiere, mit deren Abschlachtung Finito sein Leben verbracht hatte. Aber weder Bullenkraft noch Bullenmut dauert, das wußte sie jetzt, und was bleibt dann bestehen? Ich bin noch da, dachte sie. Ja, ich bin noch da. Aber wofür? »Maria«, sagte sie. »Paß auf, was du tust. Das Feuer da brauchen wir zum Kochen und nicht, um eine Stadt niederzubrennen.«
Gerade da kam der Zigeuner zum Eingang herein. Er war schneebedeckt, hielt den Karabiner in der Hand und stampfte den Schnee von den Füßen.
Robert Jordan erhob sich und ging zum Eingang hin. »Nun?« sagte er zu dem Zigeuner.
»Sechs-Stunden-Schichten, immer zwei zugleich an der großen Brücke«, sagte der Zigeuner. »In der Hütte des Straßenwärters liegen acht Mann und ein Korporal. Hier hast du deinen Chronometer.«
»Und der Posten in der Sägemühle?«
»Den kann der Alte zugleich mit der Straße beobachten.«
»Und die Straße?« fragte Robert Jordan.
»Dasselbe wie immer«, sagte der Zigeuner. »Nichts Außergewöhnliches. Ein paar Autos.«
Der Zigeuner schien zu frieren, sein dunkles Gesicht war starr vor Kälte, und seine Hände waren rot. Noch im Eingang der Höhle zog er seine Jacke aus und schüttelte sie.
»Ich habe gewartet, bis der Wachtposten abgelöst wurde«, sagte er. »Er wurde zweimal abgelöst, um zwölf Uhr und um sechs. Eine lange Wache. Ich bin froh, daß ich nicht bei ihnen dienen muß.« Robert Jordan zog seine Lederjacke an. »Suchen wir den Alten auf!«
»Ohne mich«, sagte der Zigeuner. »Ich suche jetzt das Feuer auf und die warme Suppe. Einer von den Kerls da wird dich führen, ich werde ihm sagen, wo Anselmo liegt. He, ihr Faulenzer!« rief er den Männern zu, die am Tisch saßen. »Wer will den Inglés zu dem Alten führen, der die Straße beobachtet?«
»Ich.« Fernando stand auf. »Sag mir, wo er ist.«
»Hör zu«, sagte der Zigeuner. »Er ist hier–«, und er sagte ihm, wo der alte Anselmo postiert war.
XV
Anselmo kauerte an der windgeschützten Seite eines dicken Baumstammes, links und rechts stob der Schnee an ihm vorüber. Er drückte sich fest gegen den Stamm, hatte die Hände in die Ärmel seiner Jacke gesteckt, je eine Hand in den entgegengesetzten Ärmel, und duckte den Kopf in den Kragen der Jacke, so tief es nur ging. Wenn ich noch länger hier bleibe, werde ich erfrieren, dachte er, das hat gar keinen Zweck. Der Inglés hat mir befohlen zu warten, bis ich abgelöst werde, aber da wußte er nicht, daß ein Schneesturm ausbrechen wird. Auf der Straße hat sich nichts Besonderes ereignet, und ich kenne jetzt die Verteilung und die Gewohnheiten des Postens an der Sägemühle jenseits der Straße. Ich müßte mich eigentlich ins Lager begeben! Jeder vernünftige Mensch würde von mir erwarten, daß ich ins Lager zurückkehre. Ich werde noch ein Weilchen warten, dachte er, und dann ins Lager gehen. Schuld sind die Befehle, sie sind zu starr und rechnen nicht mit veränderten Umständen. Er rieb die Füße gegeneinander, dann zog er die Hände aus den Ärmeln, bückte sich und rieb sich die Beine und schlug die Füße gegeneinander, um die Blutzirkulation in Gang zu halten. Hier, im Schutz des Baumstammes, war es gar nicht so kalt, aber bald würde er sich auf den Weg machen müssen.
Während er so dahockte und die Füße aneinanderrieb, hörte er ein Auto die Straße heraufkommen. Das Auto fuhr mit Ketten, eines der Kettenglieder hatte sich gelöst, und nun sah er das Auto über die beschneite Straße herankommen, die Karosserie war mit grünen und braunen schmierigen Klecksen bemalt, die Fenster blau übertüncht, damit man nicht hineinsehen konnte, bis auf einen kleinen Halbkreis, der den Insassen einen Ausblick ins Freie gestattete. Es war das eine zwei Jahre alte RollsRoyce-Limousine, die man für die Zwecke des Generalstabs camoufliert hatte, aber das wußte Anselmo nicht. Er konnte nicht in das Innere des Autos blicken, wo drei Offiziere saßen, in ihre Mäntel gehüllt. Zwei saßen auf dem Rücksitz und einer auf dem Klappsitz. Der Offizier auf
Weitere Kostenlose Bücher