Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
schwarzen Hörnern, die sich wuchtig nach vorn wölbten, die weißen Spitzen scharf wie die Stacheln eines Stachelschweins, und der Kopf sah aus, als ob er lebte, die zottigen Locken auf der Stirn ganz lebensecht, und seine Nüstern standen offen, und seine Augen glänzten, und da hing der Kopf und starrte Finito an.
 Alle schrien und applaudierten, und Finito schrak noch weiter in seinen Stuhl zurück, und dann wurden alle still und sahen ihn an, und er sagte: ›Nein, nein‹, und sah den Stier an und rückte noch weiter zurück, und dann sagte er ganz laut: ›Nein!‹, und ein großer Blutklumpen kam aus seinem Mund, und er benützte nicht einmal die Serviette, und der Blutklumpen rutschte über sein Kinn hinunter, und er starrte immer noch den Stierkopf an und sagte: ›Die ganze Saison lang, ja. Um Geld zu verdienen, ja. Um zu essen, ja. Aber ich kann nicht essen. Hört ihr mich? Mein Magen ist krank. Aber jetzt, wo die Saison zu Ende ist! Nein! Nein! Nein!‹ Er schaute rund um den Tisch, und dann schaute er den Stierkopf an und sagte noch einmal: ›Nein‹, und dann senkte er den Kopf und preßte die Serviette an den Mund, und dann blieb er einfach so sitzen und sagte kein Wort mehr, und das Bankett, das so gut angefangen hatte und ein epochemachendes Beispiel von Lustigkeit und guter Kameradschaft zu werden versprach, war gar kein Erfolg!« »Und er ist dann bald darauf gestorben?« fragte Primitivo.
 »Im selben Winter«, sagte Pilar. »Von diesem letzten Schlag mit dem flachen Horn in Zaragoza hat er sich nicht mehr erholt. So etwas ist schlimmer, als wenn einer aufgespießt wird, denn es gibt eine innere Verletzung, und die heilt nicht aus. Fast jedesmal, wenn er zum Todesstoß ansetzte, kriegte er so einen Schlag, und deswegen hat er keinen größeren Erfolg gehabt. Es war für ihn schwer, dem Horn auszuweichen, weil er so klein war, fast immer erwischte es ihn. Aber oft wurde er natürlich nur gestreift.«
 »Wenn er so klein war, hätte er nicht Matador werden sollen«, sagte Primitivo.
 Pilar sah Robert Jordan an und schüttelte den Kopf. Dann, immer noch den Kopf schüttelnd, beugte sie sich über den großen Eisentopf.
 Was für Leute das sind! dachte sie. Was für Leute die Spanier sind. ›Und wenn er so klein war, hätte er nicht Matador werden sollen. ‹ Ich höre mir das an und sage nichts. Ich werde nicht einmal wütend, und nachdem ich ihnen alles erklärt habe, schweige ich. Wie einfach ist das, wenn man nichts weiß! ¡ Qué sencillo! Der eine, der keine Ahnung hat, sagt: ›Er war kein besonderer Matador.‹ Der andere, der auch keine Ahnung hat, sagt: ›Er war lungenkrank.‹ Und ein Dritter sagt, nachdem man ihm alles erklärt hat: ›Wenn er so klein war, hätte er nicht Matador werden sollen.‹
 Nun, als sie sich über das Feuer beugte, sah sie wieder den nackten braunen Körper auf dem Bett, mit den knorrigen Narben an beiden Hüften, der tiefen, kaum verharschten Kerbe unterhalb der Rippen auf der rechten Brustseite und der langen weißen Strieme, die bis in die Achselhöhle reichte. Sie sah seine geschlossenen Augen und das ernste braune Gesicht und das lockige schwarze Haar, das nun aus der Stirn gestrichen war, und sie saß neben ihm auf dem Bett, rieb seine Beine, knetete die Wadenmuskeln, klopfte sie dann leicht mit gefalteten Händen, um die verkrampften Muskeln zu lockern. ›Wie ist es?‹ sagte sie zu ihm. ›Wie ist es mit den Beinen, Kleiner?‹
 ›Gut, Pilar‹, sagte er dann, ohne die Augen aufzumachen.
 ›Soll ich dir die Brust abreiben?‹
 ›Nein, Pilar. Bitte rühr meine Brust nicht an.‹
 ›Und die Oberschenkel?‹
 ›Nein. Die tun zu weh.‹
 ›Aber wenn ich sie mit etwas einreibe, dann werden sie warm werden und nicht mehr so weh tun.‹
 ›Nein, Pilar. Danke. Ich möchte lieber, daß du sie nicht anrührst.‹
 ›Ich werde dich mit Alkohol abwaschen.‹
 ›Ja. Mach es sehr vorsichtig.‹
 ›Du warst großartig bei dem letzten Stier, sagte sie dann zu ihm, und er antwortete: ›Ja, ich habe ihn sehr schön getötet.‹
 Dann, nachdem sie ihn gewaschen und mit einem Leinentuch zugedeckt hatte, lag sie neben ihm im Bett, und er streckte seine braune Hand aus und streichelte sie und sagte: ›Du bist mir ein gutes Stück Weib, Pilar!‹ Noch nie war er so nahe daran gewesen, einen Witz zu machen, und dann pflegte er gewöhnlich nach dem Kampf einzuschlafen, und sie lag neben ihm, hielt seine Hand in ihren beiden Händen und lauschte

Weitere Kostenlose Bücher