Wem die Stunde schlaegt
sich nicht gern an Otero.
In Otero, in jener Nacht, hatte er zum erstenmal einen Menschen getötet, und er hoffte, er würde bei der bevorstehenden Erledigung dieser Posten nicht wieder einen Menschen töten müssen. Damals in Otero, da hatte Pablo den Wachtposten erstochen, während Anselmo ihm die Decke über den Kopf warf, und der Mann packte Anselmos Fuß und klammerte sich fest, halb erstickt durch die Decke, und er stieß ein Gewimmer aus unter der Decke, und Anselmo mußte unter die Decke greifen und auf ihn losstechen, bis er seinen Fuß losließ und still war. Er hatte sein Knie gegen die Kehle des Mannes gestemmt, um ihn zum Schweigen zu bringen, und er stach in das Bündel hinein, und da warf Pablo die Bombe durch das Fenster in das Zimmer, in dem die Soldaten schliefen. Und als die Flamme aufblitzte, war es, als ob die ganze Welt rot und gelb vor den Augen zerberste, und schon waren zwei weitere Bomben hineingeflogen. Pablo hatte die Stifte herausgezogen und sie schnell durchs Fenster geworfen, und die, die es nicht in den Betten erwischte, die wurden durch die zweite Bombe getötet, während sie aus dem Bett sprangen. Das war Pablos große Zeit, als er wie ein Tatar das Land verheerte und kein Faschistenposten des Nachts vor ihm sicher war.
Und jetzt ist er so erledigt wie ein kastrierter Eber, dachte Anselmo, und wenn das Kastrieren vorbei ist und das Quieken aufgehört hat, schmeißt man die zwei Hoden weg, und der Eber, der kein Eber mehr ist, geht schnüffelnd und wühlend zu ihnen hin und frißt sie auf. Nein, so schlimm ist es mit ihm nicht, dachte Anselmo grinsend, selbst von einem Pablo kann man noch zu schlecht denken. Aber er ist ausreichend häßlich und hat sich gründlich verändert.
Es ist zu kalt, dachte er. Wenn bloß der Inglés käme, und wenn ich bloß bei dieser Geschichte keinen Menschen töten müßte. Die vier gallegos und den Korporal sollen die umbringen, die es gerne tun. Das hat auch der Inglés gesagt. Ich werde es tun, wenn meine Pflicht es verlangt, und der Inglés sagte, ich werde ihn zur Brücke begleiten, und das da wird man den anderen überlassen. An der Brücke wird es zum Kampf kommen, und wenn ich imstande bin, den Kampf durchzuhalten, dann habe ich alles getan, was man von einem alten Mann in diesem Krieg erwarten kann. Aber jetzt soll schon der Inglés kommen, denn mir ist kalt, und der Anblick des gelben Fensters, hinter dem die gallegos sitzen und es warm haben, läßt mich noch mehr frieren. Wenn ich doch bloß wieder in meinem Haus säße und dieser Krieg vorüber wäre! Aber du hast jetzt kein Haus, dachte er. Wir müssen diesen Krieg gewinnen, bevor du jemals wieder in dein Haus zurückkehren kannst.
Im Innern der Sägemühle saß einer der Soldaten auf seiner Pritsche und schmierte seine Stiefel. Ein zweiter lag schlafend auf seiner Pritsche. Der dritte kochte, und der Korporal las Zeitung. Ihre Helme hingen an Nägeln an der Wand, und die Gewehre lehnten an der Bretterwand.
»Was ist das für eine Gegend, wo es schneit, wenn fast schon Juni ist!« sagte der Soldat, der auf der Pritsche saß.
»Ein Phänomen«, sagte der Korporal.
»Wir sind erst im Maimond«, sagte der Soldat, welcher kochte. »Der Maimond ist noch nicht zu Ende.« »Was ist das für eine Gegend, wo es im Mai schneit!« sagte der Soldat auf der Pritsche beharrlich.
»In diesen Bergen ist Schnee im Mai keine Seltenheit«, sagte der Korporal. »In Madrid habe ich im Mai schon mehr gefroren als in jedem anderen Monat.«
»Und auch mehr geschwitzt«, sagte der Soldat, welcher kochte.
»Der Mai ist der Monat der größten Temperaturgegensätze«, sagte der Korporal. »Hier in Kastilien ist der Mai ein Monat großer Hitze, aber er kann auch sehr viel Kälte bringen.«
»Oder Regen«, sagte der Soldat auf der Pritsche. »In diesem vergangenen Mai hat es fast jeden Tag geregnet.«
»Nein«, sagte der Soldat, welcher kochte. »Jedenfalls war dieser vergangene Mai der Aprilmond.«
»Man könnte verrückt werden, wenn man dir zuhört, mit deinen Monden«, sagte der Korporal. »Laß uns mit deinen Monden zufrieden.«
»Jeder, der auf dem Meer oder auf dem Land lebt, weiß, daß es auf den Mond ankommt und nicht auf den Monat«, sagte der Soldat, welcher kochte. »Jetzt zum Beispiel hat gerade erst der Maimond begonnen. Aber es geht schon auf den Juni zu.«
»Warum bleiben wir dann nicht ganz mit den Jahreszeiten zurück?« sagte der Korporal. »Da tut einem ja der Kopf
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