Wen das Grab ruft
Olson…«
***
Drei Stunden später in London!
Im Osten machte sich die Nacht allmählich bereit, das Feld für den anbrechenden Tag zu räumen. Über der Riesenstadt lag die Morgendämmerung.
Viele Menschen hatten ihren Schlaf bereits hinter sich. In den Fabriken wurde bereits gearbeitet, während sich andere auf dem Weg zu ihrer Firma befanden und wiederum eine Gruppe von Leuten erst jetzt aus den warmen Betten krochen.
Es gab die ersten Staus, die Schulkinder machten sich bereit, den Verkäufern wurden die Morgenzeitungen aus den Händen gerissen, und an den Haltestellen der Busse standen lange Schlangen, während die U-Bahnen ebenfalls überfüllt waren. Auch in dem hohen Gebäude an der Victoria Street herrschte hektisches Treiben. Es stach wie eine breite Nadel in den Himmel, und NEW SCOTLAND YARD stand in großen Lettern darauf. Die Nacht war nicht gerade ruhig gewesen, jetzt wurden erste Vernehmungen gesichtet, Computer gespeist und Gefangene abgeführt.
Von dieser allgemeinen morgendlichen Hektik war in einer der oberen Etagen nichts zu spüren. In einem schalldichten und abhörsicheren Büro saßen drei Personen.
Bill Conolly und Suko wirkten ein wenig mitgenommen. Im Gegensatz zu Sir James Powell, der so aussah, als hätte er rund um die Uhr geschlafen. Das allerdings täuschte, denn auch er machte sich große Sorgen um seinen Oberinspektor, denn Johns Verschwinden war so rätselhaft gewesen, wie es nur irgendwie sein konnte. Sir James hatte dem Bericht der beiden vor ihm sitzenden Männer genau zugehört und sie mit keiner Frage unterbrochen. Nur am Spiel seiner Hände, die einen Bleistift hielten, war zu erkennen, dass die Nervosität auch ihn erfasst hatte.
»Haben Sie irgendwelche Lösungsvorschläge anzubieten?« erkundigte er sich nach einer Pause des Nachdenkens.
»Nein, Sir.«
Der Superintendent schaute Suko an. »Dann gehen Sie davon aus, dass John Sinclair nicht mehr derselbe ist.«
»So, sehe ich es.«
»Und Sie, Bill?«
Der Reporter trank einen Schluck von dem bitteren Automatenkaffee.
»Ich schließe mich Sukos Meinung an.«
Sir James nahm den Bleistift, ließ ihn fallen und griff zum Glas mit dem Magenwasser. Er ließ es langsam die Kehle hinabgleiten und erkundigte sich danach mit leiser Stimme: »Als was könnte John Sinclair das Grab verlassen haben?«
»Wir wissen es nicht.«
»Und Sie gehen davon aus, Suko, dass John eventuell diesen Schamanen umgebracht hat?«
»Ja.«
»Dann müssten Sie mir einen Grund nennen.«
»Das kann ich nicht, Sir. Höchstens Vermutungen anstellen und Theorien entwickeln. Wir wissen ja nicht, als was John das Grab verlassen hat. Ich kann mir vorstellen, dass er zu einem alptraumhaften Wesen geworden ist, das überhaupt keine menschlichen Gefühle mehr kennt und für das ein Mord etwas völlig Normales…«
»Hören Sie auf!« Selbst Sir James war geschockt. Auf seiner Stirn zeigte sich ein dünner Schweißfilm, und seine Mundwinkel zuckten bei den nächsten Worten. »Wenn Sie recht mit Ihrer Annahme haben, Suko, würde das bedeuten, dass wir es nicht mehr mit einem normalen Menschen zu tun haben und wir unseren Kollegen John Sinclair jagen müssten mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben!«
»So ist es, Sir!« Sukos Stimme klang kratzig, seine Antwort war kaum zu verstehen. Bill Conolly hatte den Kopf gesenkt und die Hände zu Fäusten geballt. Sprechen konnte er nicht, aber in seinen Augen brannte es.
Sir James war noch nicht am Ende. Seine nächsten Worte bewiesen, wie sehr er die Vorschriften kannte.
»Träte alles so ein, wie wir vermuten, wäre ich gezwungen, bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr eine Jagd auf John Sinclair veranstalten zu lassen, die auch mit der letzten Konsequenz endet, meine Herren.«
»Sie meinen, mit dem Tod?« fragte Bill.
»Genau, Mr. Conolly!«
***
Ich war nicht mehr John Sinclair, sondern ein anderer. Torkan, der Barbar!
Wieder einmal, so musste man sagen, hatte ein Seelenaustausch stattgefunden, denn es war für mich nichts Neues, in diese Gestalt geschlüpft zu sein.
Schon einmal, dabei lag es kaum ein Jahr zurück, war ich Torkan gewesen. Damals hatte der Götze Baal versucht, mich mit Hilfe des Sarazenen-Dämons Okastra zu töten, was ihm zum Glück nicht gelungen war. Das Schwert des Okastra hatte mich zwar getroffen, ich war auch ›gestorben‹, doch dabei zu einem anderen geworden, eben zu Torkan, dessen Geist die Dimensionen durchirrte. [1]
Und diesmal hatte er mich wieder
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