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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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du dann?«
    »Reden«, sagte er. Durch seinen Henrietta-Akzent klang das Wort gedehnt und weniger wie ein Synonym für unterhalten als für beichten. Sie konnte den Blick nicht von der schmalen, schönen Linie seines Mundes wenden. Er fügte hinzu: »Schätze, ich hätte uns allen einiges ersparen können, wenn ich gleich selbst zu dir gekommen wäre. Irgendwie bringen mir die Ideen anderer Leute immer nur Ärger ein.«
    Blue hätte ihm fast erzählt, dass es bei ihr zu Hause Orla war, deren Ideen anderen nur Ärger einbrachten, dann aber wurde ihr klar, dass er darauf etwas antworten würde, und dann würde sie wieder etwas sagen, und so konnte es die ganze Nacht weitergehen. Irgendetwas an Adam gab ihr das Gefühl, dass sie mit diesem Jungen ein wirkliches Gespräch führen könnte. Wie aus dem Nichts erklang plötzlich Mauras Stimme in ihrem Kopf. »Ich muss dich ja wohl nicht darauf hinweisen, niemanden zu küssen, oder?«
    Und damit war die Sache für Blue gelaufen. Sie war, wie Neeve richtig angemerkt hatte, ein vernünftiges Mädchen. Selbst der bestmögliche Ausgang dieser Situation konnte nur qualvoll sein. Sie stieß den Atem aus.
    »Es ging auch nicht um das, was er über dich gesagt hat. Sondern darum, dass er mir Geld angeboten hat«, sagte sie dann und stellte den Fuß auf ein Pedal ihres Rads. Sie durfte sich nicht ausmalen, wie es wäre, wenn sie dableiben und mit ihm reden würde. Wenn Blue für irgendetwas nicht genug Geld hatte, gab es für sie nichts Schlimmeres, als sich auszumalen, wie es wäre, dieses Etwas zu besitzen.
    Adam seufzte, als merkte er, dass sie im Rückzug begriffen war. »Er weiß es nicht besser. Wenn es um Geld geht, ist er einfach ein bisschen dumm.«
    »Und du nicht?«
    Darauf antwortete er nur mit einem überaus ruhigen Blick. Einem Blick, der keinen Raum für Dummheit ließ.
    Wieder legte Blue den Kopf in den Nacken und sah zu den Sternen hoch. Es war eine seltsame Vorstellung, wie schnell sie über den Himmel zogen; eine einzige, enorme Bewegung, zu weit weg, um sie auszumachen. Löwe, Kleiner Löwe, Gürtel des Orion. Wenn sie jetzt ihre Mutter oder eine ihrer Tanten oder Cousinen wäre, könnte sie dann aus den Sternbildern lesen, was sie zu Adam sagen sollte?
    Sie fragte: »Kommst du irgendwann noch mal ins Nino?«
    »Bin ich denn eingeladen?«
    Als Antwort lächelte sie. Es fühlte sich gefährlich an, dieses Lächeln. Maura wäre nicht glücklich darüber.
    Blue hatte zwei große Regeln im Leben. Nummer eins: Halte dich von Jungs fern – die machen nur Ärger. Und Nummer zwei: Halte dich von den Aglionby-Jungs fern – die sind alle Mistkerle.
    Doch auf Adam schienen diese Regeln nicht zuzutreffen. Sie wühlte in ihrer Tasche, zog ein unbenutztes Taschentuch hervor und schrieb ihren Namen und die Telefonnummer des Fox Ways darauf. Mit pochendem Herzen faltete sie es zusammen und reichte es ihm.
    Adam sagte nur: »Zum Glück habe ich doch noch mal kehrtgemacht.« Dann wandte er seinen langen Körper ab und schob sein kläglich quietschendes Rad in die Richtung, aus der er gekommen war.
    Blue schlug sich die Hände vor das Gesicht.
    Ich habe einem Jungen meine Nummer gegeben.
    Ich habe einem Aglionby-Jungen meine Nummer gegeben.
    Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und stellte sich schon mal auf die Diskussion mit ihrer Mutter ein. Nur weil man jemandem seine Telefonnummer gibt, heißt das noch lange nicht, dass man vorhat, ihn zu küssen.
    Blue fuhr zusammen, als sich die Hintertür des Restaurants öffnete. Aber es war nur Donny, dessen Miene sich erhellte, als sein Blick auf sie fiel. In der Hand hielt er ein vielversprechend dickes, ledergebundenes Notizbuch, das Blue sofort erkannte. Sie hatte es in Präsident Multitaskings Händen gesehen.
    Donny fragte: »Hast du eine Ahnung, wer das hier vergessen hat? Gehört es dir?«
    Blue ging ihm über den Parkplatz entgegen, nahm das Notizbuch und schlug es auf. Das Buch konnte sich nicht direkt für eine Seite entscheiden, an der es aufklappen sollte; es war so abgenutzt und vollgestopft, dass jede Seite den Vorrang für sich beanspruchte. Schließlich beugte es sich einfach der Schwerkraft und öffnete sich genau in der Mitte.
    Die Seite, die sich auftat, war eine Collage aus vergilbten Buch- und Zeitungsausschnitten. Mit rotem Stift hatte jemand einzelne Zeilen unterstrichen, Kommentare am Rand verfasst (Luray Caverns auch spiritueller Ort? Krähen = Raben?) und eine säuberlich umrahmte Liste mit der

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