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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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während wir in dem Wald waren.«
    »Unmöglich nicht«, erwiderte Gansey und ging auf das Gebäude zu. Er riss die Tür auf und rief in das düstere Treppenhaus: »Noah, bist du zu Hause?«
    »Es stimmt«, sagte Adam. »Es gibt Theorien, die besagen, dass die Zeit auf Ley-Linien manchmal unstet sein kann.«
    Das war sogar einer der häufiger genannten Effekte der Ley-Linien. In der schottischen Folklore gab es den Mythos, dass Reisende von Kobolden oder Feen in die Irre geführt wurden. Immer wieder hörte man Geschichten von Wanderern, die sich auf einen geraden Weg begaben und unerklärlicherweise verliefen, bis sie sich plötzlich Meter oder gar Kilometer von ihrem Ausgangspunkt entfernt wiederfanden, ohne sagen zu können, wie sie dorthin gelangt waren. Und laut ihrer Uhren war es Minuten vor oder Stunden nach dem Zeitpunkt, zu dem sie losgelaufen waren. Es war, als wäre sie über eine Falte in Raum und Zeit gestolpert.
    Die Energie der Ley-Linie hatte ihnen einen Streich gespielt.
    »Und was war das in dem Baum?«, fragte Blue. »Eine Halluzination? Ein Traum?«
    Glendower. Es war Glendower. Glendower. Glendower.
    Gansey sah ihn immer noch vor sich, er konnte gar nicht anders. Er war aufgeregt oder verängstigt oder vielleicht auch beides.
    »Ich weiß nicht«, sagte er, zog seinen Schlüsselbund aus der Tasche und schlug Ronans Hand weg, als dieser danach grapschen wollte. Bevor er Ronan mit seinem Auto fahren ließ, musste schon an einem Hochsommertag in Virginia Schnee fallen. Er hatte gesehen, wie Ronan mit seinem eigenen Auto umging, und die Vorstellung, was er mit ein paar Dutzend Pferdestärken mehr anstellen würde, war alles andere als angenehm. »Aber ich werde es herausfinden. Na los, fahren wir.«
    »Wohin?«, fragte Blue.
    »Ins Gefängnis«, entgegnete Gansey fröhlich. Die anderen beiden drängten sie bereits auf Pig zu. Er fühlte sich euphorisch, wie berauscht. »Zum Zahnarzt. Irgendwohin, wo es schrecklich ist.«
    »Ich muss aber um …« Sie hielt inne. »Ich weiß gar nicht, wann ich zu Hause sein muss. Zu einer vernünftigen Uhrzeit?«
    »Was ist schon vernünftig?«, fragte Adam und Ronan lachte.
    »Keine Angst, wir bringen dich zurück, bevor du dich in einen Kürbis verwandelst.« Gansey wollte ein »Blue« an das Ende des Satzes anhängen, aber irgendwie kam es ihm komisch vor, sie so zu nennen. »Ist Blue eigentlich ein Spitzname?«
    Blue blieb neben dem Camaro stehen und ihre Augenbrauen wirkten plötzlich scharfkantig.
    Hastig fügte Gansey hinzu: »Nicht dass das kein cooler Name wäre. Er ist nur … ungewöhnlich.«
    »Durchgeknallt.« Das kam von Ronan, doch er kaute dabei abwesend auf einem seiner Lederbändchen, was den Effekt etwas abschwächte.
    »Tja, leider kann nicht jeder einen so normalen Namen wie Gansey haben«, gab Blue zurück.
    Er musterte sie mit einem gutmütigen Lächeln und rieb sich dabei das glatte Kinn, dessen spärlichem Haarbewuchs er vor Kurzem den Garaus gemacht hatte. Sie reichte Ronan kaum bis zur Schulter und doch war sie genauso groß wie er, genauso präsent. In diesem Augenblick kam es Gansey einfach so unglaublich richtig vor, wie sie dort neben Pig versammelt waren. Als wäre Blue, und nicht die Ley-Linie, das Puzzleteil, das ihnen die ganzen Jahre gefehlt hatte, als hätte die Suche nach Glendower erst richtig begonnen, seit sie dabei war. Sie war auf dieselbe Weise richtig für ihn, wie Ronan es gewesen war, wie Adam und Noah es gewesen waren. Jedes Mal wenn einer von ihnen sich ihm angeschlossen hatte, hatte ihn Erleichterung durchströmt, und als ihm zuvor im Helikopter klar geworden war, dass das auf der Aufnahme ihre Stimme war, hatte er genau dasselbe empfunden.
    Natürlich konnte sie immer noch abspringen.
    »Aber das wird sie nicht«, dachte er. »Sie muss es doch auch spüren.«
    Er sagte: »Mir hat ja der Name Jane immer gefallen.«
    Blues Augen weiteten sich. »Jane? Was? Oh! Nein, nein. Du kannst Leuten nicht einfach einen anderen Namen verpassen, nur weil dir ihr richtiger nicht gefällt.«
    »Blue gefällt mir doch«, sagte Gansey. Er glaubte nicht, dass sie ernsthaft beleidigt war – ihr Gesicht sah nicht so aus wie im Nino, als sie sich kennengelernt hatten. Damals waren ihre Ohren rot geworden. Er dachte, dass er vielleicht langsam ein bisschen besser darin wurde, sie nicht zu beleidigen, obwohl er es anscheinend immer noch nicht schaffte, sie nicht zu verärgern. »Ein paar von meinen Lieblingshemden sind blau. Aber Jane

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